Schwarze / Becker / Hatje / Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Auflage, Nomos 2019
Von Wirtschaftsjurist Christian Paul Starke, LL.M., Bad Berleburg
Mit acht Jahren Abstand zur letzten Aktualisierung ist Ende 2018 die neue, vierte Auflage des „Schwarze“ – der „eierlegenden Wollmilchsau“ unter den Kommentaren zum Europarecht – erschienen. Wie bereits in den beiden Vorauflagen bietet das Werk auch diesmal wieder eine vollständige Kommentierung des gesamten europäischen Primärrechts, also sowohl des EUV und AEUV als auch der Europäischen Grundrechtecharta. Zudem sind in den Anhängen die wichtigsten Protokolle sowie die Verfahrensordnungen von EuG und EuGH abgedruckt, wenngleich nicht kommentiert. Die Liste der Bearbeiter wartet standesgemäß mit zahlreichen ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet des Europarechts auf, die nicht nur Forschung und Praxis, sondern teils auch hohen politischen Kreisen entstammen, und somit unmittelbar an der Umsetzung des europäischen Programms beteiligt sind.
Das Werk befindet sich auf dem Rechtsstand vom Mitte März 2018. Dementsprechend konnte insbesondere das EuGH-Urteil zur Möglichkeit einer einseitigen Rücknahme der „Brexit“-Erklärung noch keine Berücksichtigung finden. Es umfasst insgesamt rund 3.800 Seiten und ist aufgrund des damit einhergehenden Gewichts leider nicht zur Mitnahme in Veranstaltungen oder Besprechungen geeignet. Bei dem verwendeten Papier handelt es sich notwendigerweise um das übliche „Kommentar-Papier“, welches dazu neigt, bei allzu sorglosem Gebrauch schnell einzureißen oder zu zerknicken. Zudem scheinen Markierungen stark durch und sollten nur mit einem nicht zu spitzen Bleistift vorgenommen werden.
Zu Beginn des Werkes findet sich ein ausführliches Verzeichnis der relevanten nationalen sowie internationalen Literatur zum Europarecht. Dieses hilft insbesondere Studierenden bei der Suche nach weiteren Übersichtswerken beispielsweise für eine Seminar- oder Abschlussarbeit. Es wird für jeden Artikel zu Beginn der Einzelkommentierung noch um eine gesonderte Literaturliste mit konkret themenbezogenen Werken ergänzt, die eine gute Unterstützung bei der Recherche von Spezialproblemen bietet. Das Werk beinhaltet am Ende zudem ein sehr ausführliches, 110 Seiten umfassendes Stichwortverzeichnis, welches dem Nutzer die Orientierung teils erheblich erleichtert. Allerdings ist zu bemängeln, dass man so markante Begriffe wie das deutsche „Reinheitsgebot“, die Nachbarschaftspolitik oder auch die „Vorratsdatenspeicherung“ hier leider vergebens sucht. Die Orientierungsfunktion des Stichwortverzeichnisses wird einerseits durch ein Inhaltsverzeichnis für die jeweilige Einzelkommentierung sowie andererseits durch im laufenden Text enthaltene Hervorhebungen wesentlicher Begrifflichkeiten in Fettdruck ergänzt. Die Auswahl der Begriffe ist dabei meist gut gelungen und erleichtert das Auffinden der relevanten Abschnitte, zumal die Verwendung des Fettdrucks sparsam erfolgt und damit ihrer Highlighter-Funktion gerecht wird. Sehr positiv hervorzuheben ist auch die Tatsache, dass gegenüber den Vorauflagen die Quellenangabe in Fußnoten ausgelagert wurden. Dies erhöht die Lesbarkeit der Ausführungen enorm.
Die Kommentierung der jeweiligen Norm beginnt stets mit einer allgemeinen Einführung, in der insbesondere Sinn und Zweck der Regelung beleuchtet werden sowie eine Einordnung in den Gesamtkontext des europäischen Rechts erfolgt. Danach folgen die Einzeldarstellungen, die sich in ihrem Aufbau unmittelbar an der Normstruktur orientieren. Diese unterscheiden sich in ihrem Detailgrad leider teils sehr deutlich. So erfolgt beispielsweise bei Art. 6 Abs. 2 EUV eine ausführliche Darstellung und Bewertung des EuGH-Gutachtens zum Beitritt der EU zur EMRK. Demgegenüber vermisst man aber z.B. im Rahmen des Art. 2 EUV eine nähere Erläuterung der einzelnen in der Norm genannten Werte der EU oder bei Art. 50 EUV eine intensivere Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer einseitigen Rücknahme der Austrittserklärung. Allgemein fällt ins Auge, dass an zahlreichen Stellen die Kommentierungen verhältnismäßig kurzgehalten sind. Dies führt dazu, dass eigene Stellungnahmen und Bewertungen der Autoren eher die Ausnahme denn die Regel darstellen. Hierbei handelt es sich um eine bedauerliche Nebenwirkung des Konzepts der Gesamtkommentierung, die sich aber als solche nicht verhindern lässt.
Insgesamt kann der neusten Auflage des „Schwarze“ daher leider nur ein durchwachsenes Zeugnis ausgestellt werden. So ist zwar das Konzept der Gesamtdarstellung des europäischen Primärrechts in einem einzigen Band für den Nutzer außerordentlichen praktisch und bietet eine gute Möglichkeit zum Einstieg in die Recherche. Allerdings trüben die damit notwendigerweise einhergehende Kürze der Ausführungen und der mit ihr verbundene begrenzte Detailgrad der Darstellungen sowie der häufige Verzicht auf eigene Ansichten der Autoren den Gesamteindruck. Hier bieten andere Werke wesentlich mehr. Daher kann das Werk an dieser Stelle nur mit Einschränkungen empfohlen werden.