Pech, On-Demand-Streaming-Plattformen, Die Rolle des Urheberrechts bei neuen Geschäftsmodellen zur Distribution digitaler Inhalte, 1. Auflage, Nomos 2018
Von ref. iur. Kim-Naike Sander, Kaiserslautern
Die Dissertation von Sebastian Pech behandelt auf 369 Seiten Fragen betreffend On-Demand-Streaming-Plattformen und ihre rechtliche Ausgestaltung. Besonderes Augenmerk legt der Autor hierbei auf das Urheberrecht und die (gängige) vertragliche Gestaltung, die die Plattformen selbst wählen. Anhand der besonderen Länge des Inhaltsverzeichnisses mit 15 Seiten ist bereits ersichtlich, dass der Autor sehr viele Themenbereiche erfasst.
Er startet mit einer Einführung in das Urheberrecht und dessen Definitionen und einem groben Überblick über die Problempunkte. Der Hauptteil des Buches befasst sich allerdings mit drei Themen, die der Autor vertieft und in beeindruckender Breite behandelt: die dauerhafte Speicherung von Inhalten, die Weitergabe von Inhalten und der grenzüberschreitende Zugriff auf die Inhalte. Da es nicht möglich ist, alle diese Themen angemessen zu besprechen, konzentriert sich diese Rezension auf einen Teilbereich, der praktisch sehr verbreitet ist.
Zufälligerweise brachte eine „Frauenzeitschrift“ gerade einen Artikel, der Spartricks anpries. Unter anderem wurde vorgeschlagen, wie man den Streaming-Plattform-Beitrag sparen könnte: Man solle einfach die Account-Daten eines Freundes mitverwenden. Es drängte sich die Frage auf: Darf man das?
Der Autor beschäftigt sich ebenfalls ausführlich mit dem sog. Account-Sharing. Das Problem des Streaming-Anbieters ist offensichtlich: Wenn jemand den Account einfach so mitbenutzt, schließt er keinen eigenen Vertrag ab und dem Anbieter entgehen Einnahmen. Die Plattformen würden versuchen, diesem Brauch technisch entgegenzusteuern, indem sie es unterbinden, dass mehr als ein Gerät gleichzeitig auf Inhalte zugreifen kann. Der zeitlich versetzte Zugriff sei aber weiterhin möglich. Mehrere Streaming-Dienste würden auch das praktische Bedürfnis am Account-Sharing erkennen und bieten speziellen Tarife für den Einbezug von Familienmitgliedern an, so beispielsweise Netflix, Spotify, Apple Music und Deezer.
Dem Autor stellte sich nun die Frage, ob das Urheberrecht die Interessen der Streaming-Anbieter ausreichend schützt. Er kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Eine Vervielfältigung i.S.d. § 16 Abs. 1 UrhG liege nicht vor, da nur die Zugriffsmöglichkeit auf die Inhalte und nicht die Inhalte selbst übertragen werden (S. 215 f). Dieselben Gründe sprechen gegen das Vorliegen des Tatbestands der Verbreitung i.S.d. § 17 Abs. 1 UrhG (S. 216 f.). Die öffentliche Zugänglichmachung i.S.d. § 19a UrhG setze dagegen voraus, dass der Zugänglichmachende die Bereithaltung kontrolliert. Im Fall des Account-Sharing gibt er jedoch nur die Zugriffsmöglichkeit auf den Account weiter (S. 217 ff). Im Rahmen des § 15 Abs. 2 S. 1 UrhG müsse dann sogar auf ein unbenanntes Verwertungsrecht zurückgegriffen werden. Doch auch diese seien zu verneinen, wenn – wie üblich – die Account-Daten nur an eine Person weitergegeben werden. Anders wäre die Situation nur zu bewerten, wenn die Daten an mehrere der Öffentlichkeit angehörende Personen weitergegeben werden. Somit musste der Autor nach gelungener Darstellung zu dem Schluss kommen, dass das Urheberrecht den Streaming-Diensten keinen Schutz vor Account-Sharing bietet.
Die Plattformbetreiber sind daher gezwungen, auf andere Art und Weise ihre Interessen durchzusetzen und das Account-Sharing zu unterbinden. Hierzu nutzen sie AGB, die wie die folgende zitierte Klausel oder ähnlich lauten (s.S. 251):
Kennwörter/Passwörter dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden und sind vor dem Zugriff durch Dritte geschützt aufzubewahren.“ (Punkt 4.3 der Nutzungsbedingungen von „Maxdome“, abrufbar unter https://www.maxdome.de/agb)
Der Autor prüft im Folgenden die AGB-Klauseln auf ihre Wirksamkeit, gemessen an den Maßstäben der §§ 305 ff. und der §§ 134, 138, 242 BGB. Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob die Maßstäbe, die zu der Weitergabe von Datenpaketen oder physischen Datenträger entwickelt wurden, auf den Fall des Account-Sharings übertragen werden können. Dies führt bei der Subsumtion im Einzelnen zum Streit. Der Autor entscheidet sich letztendlich in jedem dieser Streitfälle für die Wirksamkeit der Norm.
In diesem Zusammenhang ist es schade, dass die Streitstände und Argumente nur sehr kurz wiedergegeben werden, teilweise nur ein Absatz oder eine Seite. Dies macht es schwierig, dem Gedankengang des Autors und der Komplexität der Argumentation zu folgen. Der Autor hätte seine eigenen Argumente weiter ausführen können und hier einen größeren Schwerpunkt legen können.
Es ist jedoch zuzugestehen, dass dies dem grundlegenden Aufbau der Dissertation widersprochen hätte. Diese legt einen stärkeren Fokus auf die vollständige Darstellung der Bandbreite der Probleme und weniger auf die Tiefe der Argumentation. Da jeder Autor vor der Erstellung einer Monographie vor dieser Wahl steht und selten beides in einem Werk vereint werden kann, ist das Werk auch mit dieser sich selbst gesetzten Zielrichtung zu bewerten.
Das Buch vermag einen umfassenden Überblick über die Probleme und ihre von den Streaming-Anbietern entwickelten Lösungen zu geben. Nur wenn der Leser sich vertieft mit der Argumentation in einzelnen Streitständen auseinandersetzen will, ist er auf die (umfassenden) Fußnoten zu verweisen. Ansonsten überzeugt das Werk mit seinem weiten Themenfeld und guten Strukturierung.