Duve / Maffini, Bautechnik für Juristen, 3. Auflage, C.H. Beck 2018
Von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Wilfried J. Köhler, Köln
In nunmehr 3. Auflage ist ein schmales Buch im Oktavformat erschienen, das sich dem Thema Bautechnik für Juristen widmet. Die Verfasser sind ausgewiesene Kenner der Materie – und zwar sowohl von der juristischen als auch von der bautechnischen Seite.
Der Textteil des handlichen Buches umfasst etwa 340 Seiten. 98 (meist farbige) Abbildungen illustrieren die fachlichen Ausführungen, um Juristen ohne technische Ausbildung die beschriebenen technischen Besonderheiten und Bauausführungen deutlich und vorstellbar zu machen. Das ist wertvoll. Am Ende des Bandes findet sich ein Abbildungsverzeichnis, mit dem man die Abbildungen im Bedarfsfall auch schnell auffinden kann. Einige Abbildungen – es handelt sich dabei um Handzeichnungen – sind aber verbesserungswürdig, so die Abbildung 2 (Seite 17), Abbildung 41 (Seite 128), Abbildung 48 (Seite 156) und schließlich Abbildung 57 (Seite 181). Hier wäre es angemessen gewesen, die Handzeichnungen zu ersetzen durch Zeichnungen, die ein technischer Zeichner angefertigt hat. Im Vergleich zu den anderen Abbildungen machen die Handzeichnungen doch einen sehr viel geringeren Professionalitätseindruck als der übrige Text und die übrigen Abbildungen des Buches.
Das Buch hat eine sehr gute Aufteilung. Im Teil „Übergreifende Sachinhalte“ werden z.B. „Normen und bautechnische Regelungen“ dargestellt, wenn auch nur kurz. Wenn man sich als Rechtsanwalt mit technischen Bestimmungen befassen muss, stößt man immer wieder auf Schwierigkeiten, bestimmte Regelungen richtig einschätzen zu können. Was „Bauregellisten“, CE-Kennzeichen, DIN-Normen, „DIN EN“ und „allgemeine Regeln der Technik“ sind, erschließt sich nunmehr leichter durch die Ausführungen von Duve/Maffini; sie erwähnen einzelne Begriffe und Schlagwörter und geben Hinweise, die man weiter verfolgen kann. Duve/Maffini weisen z.B. auf das Deutsche Institut für Bauchtechnikhin (Seite 5). Dieses ist eine ganz wichtige Institution für technische und allgemeine bauaufsichtlichen Zulassungen von Bauprodukten und Bauarten. Die von Duve/Maffini umrissene – aber jedenfalls von mir bisher nicht erkannte – Bedeutung des DIBt erschließt sich so richtig, wenn man den Internetauftritt der DIBt (https://www.dibt.de/de/) zur Hilfe nimmt. Das DIBt sagt von sich selbst: „Als technische Behörde … übernimmt das DIBt im Auftrag der 16 Länder und des Bundes zahlreiche öffentliche Aufgaben im Bereich der Bautechnik. Hauptziel der Institutsgründung war die Schaffung einer zentralen Zulassungsstelle für neuartige und nicht geregelte Bauprodukte und Bauarten. Die Erstellung von allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen und inzwischen auch Europäischen Technischen Bewertungen, Bauartgenehmigungen und Gutachten gehört bis heute zu unseren Kernaufgaben.“ Damit ist für Rechtsanwälte, die technische Regeln mit in ihre Mandantenbetreuung einbeziehen müssen, klar, dass sie im Internetauftritt des DIBt recherchieren sollten oder müssen, um dort (u.a.) auf eine Liste der technischen Baubestimmungen zugreifen zu können.
Die Ansatzpunkte, die Duve/Maffini im Teil „Übergreifende Sachinhalte“ nennen, reichen schon aus, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, in welche Richtung gesucht werden sollte. So z.B. mit dem Hinweis auf die „Allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (Seite 7), die aus DIN-Normen abgeleitet werden, die bauaufsichtsrechtlich eingeführt, oder auch durch Vorgaben der Berufsgenossenschaften und technischen Verbände (VDE, DGVE usw.) kreiert wurden.
Bei der Lektüre von „Statik und Bemessung“im Teil „Übergreifende Sachinhalte“(Seite 15 ff) werden die Begrifflichkeiten (z.B. „Auflagerkräfte“, „Querkraft“, „Biegemoment“ oder „Torsionsmoment“) einem Juristen etwas klarer; sie werden von (Bau-)Technikern gerne verwendet, sind einem Juristen aber nicht unbedingt geläufig.
Im Abschnitt „Bauphysik“ (Seiten 51 – 66) werden einzelne Themen kurz erläutert und auf weiterführende Literatur verwiesen, wie z.B. Wärme-, Brand- und Schallschutz.
Ein weiterer Teil des Werks befasst sich mit den „Bauteilen“, wie den Wänden, Decken, Treppen, Dächern und Fenstern (Seiten 145 – 195). Dort werden zwar Dachneigungen genannt und auf Seite 176 eine Differenzierung nach dem Neigungsgrad (z.B. Neigung bis 5° = Flachdach, Neigung über 20° = Steildach) vorgenommen, jedoch die einzelnen Dachformen (Pultdach, Satteldach, Walmdach) nur schlagwortartig erwähnt. Hier wäre es für den technischen Laien sicher wertvoll gewesen, die genannten Dachformen, aber auch weitere Dachformen („Mansardendach“, „Pultdach“, „Scheddach“ „Zwerchdach“ usw.) in Abbildungen darzustellen. Bebilderungen – die sonst im Buch gut vertreten sind – würden dem Juristen eine klare und plastische Vorstellung vermitteln, die man im Gedächtnis behalten kann. Gut sind dagegen wieder die stichwortartigen Beschreibungen von technischen Bezeichnungen (Seite 177 f), wie „Kehle“, „Drempel“, „Ortgang“ usw. bzw. von Bauteilen, wie „Pfetten“, „Windrispen“ usw. Ein Nachteil ist, dass die hier genannten Begriffe nicht im Stichwortverzeichnis auftauchen. Hier sollten die Autoren dafür sorgen, dass das Werk auf alle verwendeten Begriffe durchforstet wird und diese in das Verzeichnis aufgenommen werden – auch wenn ein Begriff nur als Schlagwort erwähnt worden ist.
Die Behandlung in den einzelnen Teilen des Buchs (also außer den genannten Teilen, die Teile „Innenausbau“, „Baubetrieb“, „Bauverfahren nach Sparten“) folgt stets einem gleichen Muster und weist ein gleichen Aufbau aus. Vorangestellt wird nämlich jeweils eine „einführende Erläuterung“, es folgt dann eine „fachliche Erläuterung“, eine Beschreibung „häufig auftretender Probleme in der Praxis“ und schließlich ein Hinweis auf „weiterführende Literatur“. In der weiterführenden Literatur der oben genannten Teile finden sich allerdings keine Hinweise auf Bauhandbücher oder sonstige Fachbücher, sondern Bezugnahmen auf Normen (DIN EN pp). Dieser Aufbau macht es leichter, bestimmte Begriffe oder Probleme zu erschließen und Normen zu finden.
Der Verlag für Normen – gedruckte oder elektronische – ist der Beuth-Verlag (https://www.beuth.de/de); die allerdings recht teuren Normblätter können über ihn bezogen werden (vgl. Duve/Maffini, Seite 8). Weiter Informationen zu europäischen Normen finden sich auf der offiziellen Seite der EU (Zugriff hier).
Ein sehr interessanter Teil des Werks von Duve/Maffinibetrifft das „Sachverständigengutachten“(Seite 333 ff). Auch hier findet sich wieder der bereits beschriebene Aufbau in „einführende Erläuterungen“, „fachliche Erläuterungen“ usw. Soll ein Sachverständiger eine technische Beurteilung abgeben, bedarf es zur Erarbeitung eines Fragenkataloges, der dem Sachverständigen zur Beantwortung vorgelegt werden soll, eines technischen Verständnisses – das machen Duve/Maffini zu Recht deutlich (Seite 334). Nicht nur muss der Jurist erarbeiten, welche anspruchsrelevanten (und technischen) Tatsachen streitig sind, sondern es müssen Fragen formuliert werden, die eindeutig sind und dem Sachverständigen klar vorgeben, was er untersuchen soll. Dass das für einen Juristen schwierig ist, kann jeder bestätigen, der einmal ein selbstständiges Beweisverfahren mit Beweisfragen vorbereitet hat, bei denen Beschreibungen und Fragestellungen zu technischen Tatsachen verwendet werden mussten. Hier kann der Band „Bautechnik für Juristen“ durchaus Unsicherheiten und Schwierigkeiten verringern. Dazu muss man das Buch nicht einmal komplett von Anfang bis Ende durcharbeiten, schon einzelne Teile erweitern und schärfen das Verständnis.
Duve/Maffini stellen anschaulich dar (Seite 335 f), welche Bestandteile ein Gutachten haben sollte. Z.B. sollte unbedingt ein Literaturverzeichnis der verwendeten technischen Literatur vorhanden sein, die Fragestellungen sollten vom Sachverständigen zu Beginn der Ausführungen wörtlich wiederholt werden, bei Existenz von unterschiedlichen Untersuchungsmethoden sind diese konkret darzustellen, und schließlich sind vom Sachverständigen die Ergebnisse seiner Untersuchungen erschöpfend und übersichtlich zu beantworten.
Hier gewinnt man als Jurist einen gewissen Leitfaden, anhand dessen Gutachten auf ihre Qualität untersucht werden können. Das ist für die praktische Arbeit wichtig und kann weitere Überlegungen und Reaktionen auf ein Gutachten auslösen.
Duve/Maffini verschweigen auch nicht (Seite 337 f), dass durchaus Schwierigkeiten mit den Sachverständigen oder ihren Gutachten auftreten können. Sachverständige können z.B. bei ihrer Tätigkeit an die Grenzen der Fachkunde kommen, wollen das aber (menschlich verständlich) mitunter nicht kommunizieren. Stellt man das fest – was für den Laien doch etwas schwierig sein wird – wird man überlegen müssen, ob ein weiterer Sachverständiger hinzugezogen werden muss oder bei einem gerichtlichen Verfahren Ergänzungen durch Zweitgutachten o.ä. verlangt werden müssen.
Sachverständige schreiben anders als Juristen (hierzu Duve/Maffini, Seite 338 f) und Begrifflichkeiten werden von technischen Sachverständigen und von Juristen sehr häufig unterschiedlich gewertet. Duve/Maffini machen das an dem Begriff der Mangelhaftigkeit klar (Seite 339); für den Juristen ist Mangelhaftigkeit eine Frage der vertraglichen Vereinbarungen, für den technischen Sachverständigen aber eine rein technische Frage, die sich danach beantwortet, ob die tatsächliche Ausführung von Normen, Richtlinien pp abweicht.
Ein Problem, das eigentlich sehr häufig bei der Begutachtung durch Sachverständige – und im Rahmen von Ortsterminen – auftritt, ist eine selbstständige Suche des Sachverständigen nach Tatsachen, die im Antrag (z.B. im Antrag zu einem selbstständigen Beweisverfahren) nicht angesprochen worden sind. Aufgabe von Sachverständigen ist es regelmäßig nicht (so Duve/Maffini Seite 340 zu Recht), selbständige Nachforschungen zu betreiben, um weitere Tatsachen festzustellen. Für Antragsteller mag es eine erfreuliche Erleichterung sein, bisher nicht erkannte Tatsachen (technische Mängel) präsentiert zu bekommen, für die zivilprozessuale Situation ist das jedoch keinesfalls korrekt. Allein dem Antragsteller fällt die Aufgabe zu, die von ihm erkannten technischen Mängel zu lokalisieren und zu beschreiben. Eine „Amtsermittlung“ durch den Sachverständigen gibt es hier gerade nicht.
Die Ausführungen von Duve/Maffini machen das besondere Spannungsverhältnis zwischen Gutachter und den Parteien, die ein Gutachten begehren, ebenso deutlich, wie die Problematik des unterschiedlichen Verständnishorizonts von Sachverständigen und von Juristen.
Aus der „weiterführenden Literatur“(Seite 343) ist mir erneut ins Gedächtnis gerufen worden, dass es ein Institut für Sachverständigenwesen e.V., ansässig in Köln, gibt, das einige interessante Broschüren herausgibt, z.B. „‘Todsünden‘ des Sachverständigen“ oder „Die Ortsbesichtigung durch Sachverständige“, die anschaulich einige besondere Themen aufarbeiten. Auf der Internetseite des Institutsfinden sich auch Download-Möglichkeiten zu verschiedenen Themen, wie z.B. „Empfehlungen zur Erstellung eines Gutachtens“ oder eine Literaturliste zum allgemeinen Sachverständigenwesen. Diese Downloads können auch für Juristen, die über den eigenen Tellerrand hinausblicken wollen, hilfreich sein.
Das Buch Duve/Maffini ist nur an ganz wenigen und untergeordneten Stellen verbesserungswürdig, insgesamt ist es jedoch – so meine abschließende Bewertung – für Juristinnen und Juristen, die sich gelegentlich oder ständig mit technischen Fragen beschäftigen müssen, sehr empfehlenswert.