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Rezension: Vermögensabschöpfung

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Schmidt, Vermögensabschöpfung, Handbuch für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 2. Auflage, C.H. Beck 2019

Von RAG Carsten Krumm, Dortmund


Das neue Einziehungsrecht, das seit Juli 2017 gilt, bedingte eine erhebliche Ratlosigkeit der Praxis. Viele Verteidiger, Staatsanwälte und Richter fühlten sich überfordert. In den ersten Monaten fehlte es auch an einer tauglichen Kommentierung der neuen Vorschriften. Gearbeitet wurde in der Praxis mit Skripten und Seminarunterlagen von teils zweifelhafter Qualität. Diese Zeit ist mittlerweile glücklicherweise vorbei. Die Standardkommentare haben nachgearbeitet. Auch andere Handbücher und Einführungsbänder zu dem Thema sind mittlerweile zahlreich vorhanden. Eines davon ist das vorliegende. Es handelt sich dabei um ein etwa 620 Seiten starkes Werk, das das Einziehungsrecht im Strafrecht und im Ordnungwidrigkeitenrecht darstellen soll. Dabei irritiert zunächst, dass das Vorwort, das üblicherweise am Ende einer jeden Buchbearbeitung geschrieben/beendet wird, bereits aus dem Frühjahr 2018 stammt, obgleich es sich um ein zum Jahresende 2018 erschienenes Werk handelt. Damit wird klar: Ein großer Teil der Rechtsprechung des BGH zu den neuen Einziehungsvorschriften aus dem Jahre 2018 fehlt in dem Buch. Gleichfalls fällt in dem Buch beim ersten Durchschauen negativ auf, dass ein Buchkapitel zweimal unmittelbar nacheinander wortgleich abgedruckt ist, nämlich das Kapitel zum erstinstanzlichen Verfahren nach Abtrennung der Einziehung, § 423 StPO. Als Rezensent ist man da sprachlos.

Ansonsten bietet das Buch tatsächlich alles, was in der Praxis zum Einziehungsverfahren wissenswert ist. Natürlich werden zunächst die strafrechtlichen Vermögensabschöpfungsregelungen, also diejenigen des StGB dargestellt. In einem Unterkapitel werden Maßnahmen mit abschöpfungsähnlicher Wirkung erörtert, also die Einziehung von Tatprodukten, Tatmittel und Tatobjekt nach §§ 74 StGB bzw. 22 OWiG. Der umfassende Ansatz des Buches führte auch dazu, dass man dem Adressaten der Einziehung ein eigenes Kapitel ebenso widmen kann, wie auch der Wirkung der strafrechtlichen Einziehung nach § 75 StGB.

In einem weiteren etwa 130 Seiten starken Abschnitt befasst sich der Autor mit verfahrensrechtlichen Maßnahmen zur Sicherung der Vermögensabschöpfung, also den StPO-Regelungen für das Ermittlungsverfahren: Beschlagnahme, Sicherstellung, Arrestanordnung, Durchsuchung, Notveräußerungen und Rückgabe sichergestellter Gegenstände sind hier etwa die dargestellten Themen.

Das Verfahren bei Einziehungen im Hauptverfahren bzw. in einem selbstständigen Verfahren sind Gegenstand des nächsten Kapitels. Wichtig für strafrechtliche Praktiker ist dann auch das fünfte Kapitel, das sich dem Insolvenzverfahren annimmt. Gerade Verteidiger, Richter und Staatsanwälte, die nicht täglich mit Wirtschaftsstrafsachen zu tun haben, werden dankbar sein, hier eine Einführung zu finden, die die Schnittmenge und auch die Trennlinie zwischen Straf-und Insolvenzrecht im Einziehungsrecht aufzeigt. Konsequenterweise wird dann das Strafvollstreckungs- und Entschädigungsverfahren dargestellt. Der Vermögensabschöpfung nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz ist dann ein weiteres eigenes Kapitel gewidmet. Im vorletzten Buchabschnitt wird die Vermögensabschöpfung im System der Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche dargestellt. Hier finden sich dann erste Verweise auf internationale Rechtsvorschriften. Die Straftatbestände der Geldwäsche, der Hehlerei, der Strafvereitelung, der Begünstigung pp. werden hier dargestellt. Meines Erachtens hätte es einer solchen Darstellung nicht bedurft, da insoweit ohnehin besser auf strafrechtliche Standardliteratur zurückgegriffen werden wird. Ein letztes Kapitel befasst sich dann mit der Vermögensabschöpfung im internationalen Recht. Es handelt sich um ein sehr kurzes Kapitel, das jedoch praxisnah formuliert und so auch recht interessant ist, weil es hier vor allem um die praktischen Fragen der Beschlagnahme von Gegenständen bei ausländischen Ersuchen bzw. um die Herausgabe von Beweismitteln oder Beutestücke an einen ausländischen Staat geht. Es wird also insbesondere in gebotener Kürze ein „Streifzug“ durch die einschlägigen Regelungen des IRG vorgenommen.

Im Buchanhang finden sich dann weitere Rechtsvorschriften, die sich mit Fragen der Vermögensabschöpfung befassen und die sicher nicht jeder potentielle Leser sofort griffbereit hat.

Ein besonderes Lob ist dem Verfasser für die Aufnahme von Formularen am Buchende auszusprechen. Es finden sich hier staatsanwaltschaftliche Verfügungen und vor allem auch Ermittlungsrichterbeschlüsse. Meines Erachtens wäre dieser Bereich noch ausbaufähig. Aus richterlicher Sicht wären typische weitere Entscheidungen hilfreich, so etwa Entscheidungen über die Abtrennung im Rahmen des Hauptverfahrens, die Entscheidung über das Absehen einer Entscheidung oder auch die Weiterführung abgetrennter Verfahren. Auch anwaltliche Schriftsätze würden den Wert des Buches erhöhen - also etwa Stellungnahmen, Beschwerden oder auch Revisionsschriften.

Inhaltlich ist an dem Buch nichts zu erinnern. Die Darstellungen sind sämtlich fundiert und ausführlich. Der Fußnotenapparat ist ebenso ausführlich, aber nicht überladen. Nur insgesamt findet sich im Fußnotenapparat meines Erachtens zu wenig aktuelle Rechtsprechung, was möglicherweise an der eingangs beschriebenen Differenz zwischen Fertigstellung des Buches und Erscheinungsdatum liegen kann. Im Bereiche der Ausführungen zum Ordnungswidrigkeitenrecht erstaunt mich, dass sich die Auswertung von Kommentierungen weitgehend auf die Kommentare „Göhler“ und „KK“ beschränkt.

Was ist noch zu bemerken? Das Literaturverzeichnis ist sehr umfassend und gibt auch zitierte Entscheidungsanmerkungen und Zeitschriftenaufsätze wieder, was für ein weiteres Nachforschen erfahrungsgemäß hilfreich ist. Gleichwohl erscheint das Literaturverzeichnis nicht ausreichend gepflegt. Zwar wird im Fußnotenapparat des Buches richtigerweise etwa die Kommentierung des „Göhler, OWiG“ in der aktuellen Form zitiert, doch findet sich im Literaturverzeichnis noch die 14. Aufl. 2006 des mittlerweile bekanntlich in 17. Aufl. erschienenen Buches. Auch der Kommentar „Brunner/Dölling, JGG“ wird statt in der aktuellen 13. Aufl. 2017 als 10. Aufl. 1996 geführt.

Was ist also das Fazit dieser Besprechung? An vielen Stellen ist das Buch nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt – es ist gleichwohl inhaltlich ein guter Helfer für die Praxis. Für die nächste Auflage ist sicher ein gewisses Nacharbeiten nötig.


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