Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Auflage, C.H. Beck 2018
Von RA Dr. Sebastian Braun, Leipzig.
Nach vier Jahren ist es wieder soweit: Eine neue Auflage des Spickhoff ist erschienen. Obwohl dieses Werk zum Medizinrecht „erst“ in 3. Auflage 2018 auf den Markt gekommen ist, hat es sich seit seiner Erstauflage im Jahr 2011 als einer der relevantesten und meistzitierten Kommentare etabliert. In der Tat lässt sich gegenwärtig kein anderer Kommentar zum Medizinrecht finden, der dieses Querschnittsgebiet aus Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichem Recht in dem präsentierten Umfang abdeckt. Nach wie vor gehört allein die Fülle der aufgenommenen Vorschriften zur besonderen Stärke des Buches. Von A wie Arzneimittelgesetz bis Z wie Zahnheilkundegesetz behandelt das Werk über 50 Regelungsmaterien, die – in unterschiedlicher Tiefe – kommentiert worden sind. Das Buch ist übersichtlich und insbesondere alphabetisch gegliedert. Dies erleichtert ein schnelles Auffinden der einschlägigen Gesetze und Normen. Mit der Neuauflage ist das Werk auf den Rechtsstand von Mai 2018 gebracht worden.
Im Rahmen einer solchen Rezension besteht naturgemäß nicht der Raum, sich allen Vorschriften vertieft zuzuwenden. Allerdings soll auf folgende Aspekte gesondert eingegangen werden:
Besonders nützlich ist die Kommentierung von Greiner zu den §§ 823 ff. BGB. Derjenige, der sich regelmäßig mit haftungsrechtlichen Fragestellungen zu beschäftigen hat, erhält hier die notwendigen dogmatischen und inhaltlichen Erläuterungen, um sich schnell in die Materie einarbeiten oder sich in ihr weiterführend bewegen zu können. Hervorzuheben ist zudem, dass Greiner eine umfassende Kasuistikschau vorgenommen hat und diese an nahezu allen Stellen in seine Kommentierung einpflegt. So erfährt man zum Beispiel ob bei einer Extraktion eines Weisheitszahnes über das Risiko einer Verletzung des Nervus lingualis aufzuklären ist oder ob die bei einer Extraktion auftretende Zerstörung eines Nachbarzahns im Rahmen des Anscheinsbeweises für einen Behandlungsfehler spricht. Das Haftungsrecht lebt von einer großen Fülle an höchst- und obergerichtlichen Entscheidungen. Insoweit bietet Greiner eine wertvolle Hilfestellung, um sich in diesem Dickicht zurechtzufinden.
Angenehm zu lesen ist auch die Kommentierung von Jaeger zu den §§ 101 ff. SGB V. Hierbei führt er den Leser strukturiert durch das komplexe Zusammenspiel der Normen des SGB V zu Überversorgung, Nachbesetzungsverfahren oder Sonderbedarfszulassung, ohne zu überfrachten.
Im Bereich des StGB hat Schuhr die Kommentierung zum Abrechnungsbetrug an die neuen Entwicklungen angepasst. Gedacht sei hier an die maßgebliche Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 20.01.2017 zur Abrechenbarkeit von Speziallaborleistungen im Rahmen des § 4 II GOÄ. Zudem ist natürlich auch eine tiefgehende Erläuterung der §§ 299a, b StGB hinzugefügt worden, die ebenso durch Schuhrübernommen worden ist. Ebenfalls neu sind die Kommentierungen von Knauer/Brose zum seit 2015 in Kraft getretenen § 217 StGB und zur 2017 vollzogenen Novellierung von § 203 StGB, wobei letztere eher knapp ausfällt. Es könnte sich bei einer Nachauflage anbieten, der StGB-Kommentierung einen kleinen AT-Teil voranzustellen. Sicherlich gehören Spezialfragen zum allgemeinen Teil des Strafrechts nicht zum regelmäßigen Arbeitsfeld des Medizinrechtlers. Jedoch können Grundlagen zur Mittäterschaft und Beihilfe oder auch zum Begehen durch Unterlassen relevant sein, wenn man sich mit medizinstrafrechtlichen Fragestellungen zu befassen hat. Insofern könnte ein zusätzlicher AT-Block den weiteren Blick in einen StGB-Kommentar ersparen.
Sehr schön ist, dass bereits die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes, die beim 121. Ärztetag am 10.05.2018 beschlossen wurde und unmittelbaren Eingang in die MBO-Ä gefunden hat, an einigen Stellen berücksichtigt wurde. Insofern sei auf die Kommentierung von Scholz zu § 7 MBO-Ä verwiesen. Allerdings handelt es sich hierbei noch um die Darstellung der Reformüberlegungen, die jedoch nunmehr vollzogen sind und sich bis zur nächsten Auflage sicherlich mit Leben füllen werden. In einer solchen wird dann auch zu erörtern sein, welchen Einfluss die nun zulässigen Formen der Fernbehandlung z.B. auf den Grundsatz der persönlichen Aufklärung oder auf das korrespondierende Werbeverbot nach § 9 HWG haben werden.
Es wäre für eine kommende Auflage wünschenswert, dass der Kommentar um einen Abschnitt zum Datenschutzrecht im Gesundheitswesen ergänzt wird. Schließlich sind die zum 25.05.2018 in Kraft getretene DSGVO und das novellierte BDSG in der vorgelegten Darstellung noch ausgespart worden. Allerdings hat hier der Beratungsbedarf erheblich zugenommen. Teilweise sind Fragen zu den Auswirkungen des Datenschutzes auf die tägliche Arbeit des Praxisinhabers oder der Krankenhausmitarbeiter noch gänzlich ungeklärt oder werden von den Datenschutzbehörden der einzelnen Bundesländer unterschiedlich beurteilt. Darüber hinaus wirkt sich die DSGVO auch auf bereits bestehende Regelungen aus. So wird z.B. die noch in § 630g II 2 BGB zu findende Kostenregelung, wonach der Patient dem Behandelnden die Kosten für die Abschriften der Patientenakte zu erstatten hat, vor dem Hintergrund des nunmehr geltenden Art. 15 III DSGVO, der die Kosten für die Erstkopie allein dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen – und damit dem Praxisinhaber – auferlegt, nicht mehr anwendbar sein dürfen. Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich die datenschutzrechtliche Landschaft im Gesundheitswesen bis zur nächsten Auflage gestalten wird. Allerdings ist damit zu rechnen, dass viele Fragestellungen noch immer aktuell bzw. zumindest in der Beratung zu prüfen sind.
Als Fazit bleibt festzuhalten: Der Spickhoff gehört für viele Gerichte, Rechtsanwälte und Wissenschaftler zum Standardrepertoire. Diese Stellung ist auch gerechtfertigt, da es bei dem Kommentar gelungen ist, nahezu alle relevanten Normen in ein komprimiertes Werk zu gießen, das dennoch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den einschlägigen Normen bereithält. Die Anschaffung dieser Kommentierung kann uneingeschränkt empfohlen werden.