Lackner / Kühl, StGB, 29. Auflage, C.H. Beck 2018
Von RA Dr. Sebastian Braun, Leipzig.
Im Strafrecht existiert eine enorme Bandbreite an Handbüchern und Kommentaren. Neben den klassischen „großen“ Werken– wie z.B. dem Münchener oder dem Leipziger Kommentar – gehören auch immer mehr Spezialausgaben zum aktuellen strafrechtlichen Kanon. Beispielhaft sei hier an die zahlreichen Großkommentare zum Wirtschaftsstrafrecht gedacht, die allein im Jahr 2017 erschienen sind (z.B. ERST; Leitner/Rosenau). Doch parallel dazu besteht, insbesondere in der täglichen Praxis, ein großer Bedarf an den knackigen Kompaktkommentaren. Zu diesen gehört neben dem Fischer auch der Lackner/Kühl. Bei beiden handelt es sich um Standardwerke auf diesem Gebiet, die aus der strafrechtlichen Landschaft – zu Recht – nicht mehr wegzudenken sind. In dem Vorwort zur ersten Auflage hat Lackner selbst formuliert, was das Ziel des Kommentars ist: „…zu allen Vorschriften nur das Wichtigste zu sagen“ und „dem strafrechtlichen Praktiker […] eine erste zuverlässige Orientierung zu bieten“. Daher ist das Werk, das mittlerweile von Kühl und Heger bearbeitet wird, seit jeher durch knappe und prägnante Ausführungen gekennzeichnet. Dem Stil bleibt auch die nunmehr erschienene 29. Aufl. 2018 treu.
Seit der Vorauflage im Jahr 2014 hat das StGB viele Änderungen erfahren. Beispielhaft sei hier die Einführung der §§ 299a, b zur Korruption im Gesundheitswesen, des § 265c zum Sportwettbetrug oder auch des § 315d zur Strafbarkeit verbotener Kraftfahrzeugrennen genannt. Im Allgemeinen sieht sich das Strafrecht gegenwärtig einer Expansion ausgesetzt, die oftmals einem bestimmten kriminalpolitischen Bedürfnis Rechnung tragen soll, dabei aber mitunter das ultima ratio Prinzip des Strafrechts außer Acht lässt. Auch die Autoren des hier zu besprechenden Werkes bezweifeln in ihrem aktuellen Vorwort, ob „das StGB durch diese Vorschriften „besser“ wurde“. Unabhängig davon stellt es aber nach 4 Jahren eine große Herausforderung dar, sämtliche neue und bereits bestehende Vorschriften zu erfassen und zu aktualisieren.
Insbesondere an den Novellierungen wird der Unterschied deutlich, der zwischen dem Lackner/Kühl und dem klassischen Großkommentar besteht. Beispielsweise wird § 299a StGB im NK-StGB von Kindhäuser/Neumann/Paeffgen auf 229 Randnummern besprochen. Dem gegenüber widmet der Lackner/Kühl der Norm 8 Randnummern. Doch exakt mit dieser Darstellungsform bedienen die Autoren das Bedürfnis desjenigen, der auf einen Blick Informationen benötigt bzw. sich diese in kurzer Zeit aneignen muss. Und dies gelingt ihnen exzellent. Nach der Lektüre der 8 Randnummern hat man den gewünschten Überblick zu § 299a StGB, der trotz des begrenzten Platzes mit ausgewählten Literaturnachweisen belegt wird und damit bei Bedarf zur Vertiefung einlädt. Gelungen ist z.B. auch die Kommentierung des § 203 StGB. Die Norm gehört seit jeher zum festen Bestandteil des StGB, ist aber im November 2017 umfassend novelliert worden. Auch hier ist es den Autoren geglückt, die neuen Aspekte mit den bereits bestehenden Ausführungen zu verweben, ohne diese in der Darstellungstiefe zu vernachlässigen. Bei umfangreichen Normen des StGB – beispielhaft sei hier § 263 genannt – beschränkt sich die Kommentierung – der Werkkonzeption entsprechend - meist auf die Einarbeitung der wichtigsten Entscheidungen und der im Schrifttum vordringlichsten Meinungen. Jedoch werden stets Literaturnachweise angeboten, um sich – sofern gewünscht – kritisch mit den dargestellten Auffassungen auseinanderzusetzen.
Das Werk umfasst knapp 2000 Seiten und ist dabei mit einem Preis von 79,00 Euro erschwinglich. Das Format ist wie gewohnt praktisch und angenehm zu nutzen.
Als Fazit bleibt festzuhalten: Wer den Lackner/Kühl zu Rate zieht, weiß genau, was ihn erwartet und kann sich auf eine solide, kompakte und verständlich geschriebene Kommentierung verlassen. Er ist jedem uneingeschränkt zu empfehlen, der den Einstieg in eine neue Materie wagt oder auf einen Blick prägnante Informationen benötigt. Auch die Neuauflage des Lackner/Kühl belegt daher, warum der Kommentar seit vielen Jahren zu den Eckpfeilern der strafrechtlichen Literatur gehört.