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Rezension: Korruption und Strafrecht

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Kuhlen / Kudlich / Gómez Martín / Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption und Strafrecht, 1. Auflage, C.F. Müller 2018

Von RA Dr. Sebastian Braun, Leipzig.


In den vergangenen Jahren ist das Wirtschaftsstrafrecht von kaum einer Materie so durchdrungen gewesen, wie es bei der Korruption der Fall gewesen ist. Dies zeigt sich bereits an den zahlreichen Gesetzesänderungen, die allein das StGB erfahren hat. Gedacht sei nur an die Einführung der §§ 299a, b StGB zur Korruption im Gesundheitswesen im Jahr 2016 oder die 2017 erlassenen Regelungen zum Sportwettbetrug und zur Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (§§ 265c, d StGB). Die Herausgeber haben mit der vorliegenden Schrift diesem Themenbereich ein eigenes wissenschaftliches Werk gewidmet. Wie bereits im Band „Aktuelle Probleme des Medizinstrafrechts“ geschehen (dazu Braun, GesR 2017, 815) gehört auch im vorliegenden Werk eine interdisziplinäre und rechtsvergleichende Betrachtung aktueller Probleme zum Konzept. Deutlich wird dies erneut durch den Umstand, dass die Themenblöcke sowohl aus Sicht eines deutsch- und eines spanischsprachigen Autors behandelt werden. Der Leser wird informiert über:

(1) Korruption im privaten Sektor
Die Beitragssammlung wird eröffnet durch einen Aufsatz von Bülte zur „Korruption im privaten Sektor und das sog. Geschäftsherrenmodel“. Letzteres hat durch das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption zum 26.11.2015 Eingang in das StGB gefunden. Bülte zeichnet in seinem Betrag die an dieser Erweiterung des § 299 geübte Kritik nach und nimmt hierfür verschiedene Blickwinkel ein. Dabei lässt er auch den ultima-ratio-Gedanken nicht außer Acht.

Flankiert wird der Abschnitt durch die Ausführungen von Bardon zur „Privatkorruption nach der Reform des spanischen Strafgesetzbuches durch das Gesetz 1/2015 vom 30. März“. Hierbei knüpft die Autorin an den in Spanien geschaffenen Tatbestand der Privatkorruption an, der dazu diene, versteckte Kommissionszahlungen zu unterbinden. Durch das im Titel des Aufsatzes erwähnte Gesetz 1/2015 wurden dem Tatbestand der Privatkorruption besonders schwere Fälle hinzugefügt, worin die Autorin einen erheblichen Einfluss auf die Systematik des Strafgesetzbuches erkennt und dies zum Anlass nimmt, um „eine Diskussion über das geschützte Rechtsgut der Privatkorruption“ (S. 19) anzustoßen.

(2) Auslandsbestechung
In diesem Komplex widmet sich zunächst Kuhlen der „Auslandsbestechung im deutschen Strafrecht“, in der er den seit 2015 geltenden § 335a StGB in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt. Parallel dazu formuliert Silva Sánchez„Zwölf Thesen zur Straftat der Bestechung ausländischer Amtsträger nach Art. 286 des spanischen Strafgesetzbuches“.

(3) Korruption im medizinischen Sektor
Rosenau/Lorenz/Wendrich geben mit ihrem Aufsatz „Korruption im Gesundheitswesen“ einen fundierten Überblick über die seit 2016 bestehenden §§ 299a, b StGB. Hier wird zunächst ein historischer Abriss über die Geschichte der neuen Regelungen aufgezeigt, bevor sich den einzelnen Tatbestandsmerkmalen zugewandt wird. Aus Sicht des Rezensenten ist besonders hervorzuheben, dass „nicht nur“ die materiellen Aspekte, sondern auch prozessuale Problemkreise – wie z.B. die Frage der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO – angesprochen werden. Auch Gómez Martínhat – nach erfolgter Übersetzung durch Blumenberg- den Titel „Korruption im Gesundheitswesen“ gewählt. In seinem Aufsatz beleuchtet er umfassend die Ärztebestechung in Spanien und legt dabei einen Schwerpunkt auf die Konstellation des Pharmasponsorings.

(4) Korruption und Sport
Satzger gehörte zu den ersten, die sich im Schrifttum mit den bereits eingangs erwähnten Normen der §§ 265c, d StGB auseinandergesetzt haben (Satzger, JURA 2016, 1142 ff.). Auch sein in diesem Band eingegliederte Beitrag „Korruption und Strafrecht“ stellt die neuen Vorschriften vor, verfolgt aber dabei das erklärte Ziel, die Unvereinbarkeit der Gesetzesreform mit dem deutschen Strafrecht aufzuzeigen (S. 91). In Spanien existiert ebenfalls ein Tatbestand, der die Korruption im Sport pönalisiert. Dessen Erläuterung übernimmt Ortiz de Urbina Gimeno in dem Beitrag „Korruption im Sport im Lichte des spanischen Strafrechts: Ungeschick, Unmoral oder Kalkül des Gesetzgebers?“.

(5) Korruption und Strafprozess
Nachdem bereits an anderer Stelle auf prozessuale Aspekte eingegangen worden ist, wird der Themenblock „Korruption und Strafprozess“ durch den gleichnamigen Aufsatz von Kudlich eröffnet. In diesem widmet er sich zwei zentralen Fragestellungen. Zum einen beleuchtet er erwartungsgemäß Strafprozesse, die aufgrund korruptionsrelevanter Handlungen geführt werden. Interessant ist jedoch auch, dass Kudlich die Korruption innerhalb eines Strafprozesses thematisiert. Hierbei gelangt er jedoch zu dem Ergebnis, dass dazu nahezu keine kriminologischen Erfahrungswerte bestehen und gibt dadurch einen wertvollen Anstoß für künftige wissenschaftliche Untersuchungen. Im Anschluss daran plädiert Montiel in „Grenzen von Verjährung und Rechtskraft bei Korruptionsdelikten“ für eine Aufhebung der Verjährung von Korruptionsdelikten.

(6) Korruption und Compliance
In den Abschlusskomplex führt Rotsch mit „Korruption und Compliance“ ein. Hier grenzt er sich von der Frage, wie Korruption durch konstruktive Compliance-Management-Systeme vermieden werden kann, ab. Stattdessen setzt er den Schwerpunkt auf das „Spannungsverhältnis von Korruption und Compliance“ (S.159) sowie auf die Präzisierung der Begriffe Korruption und „Criminal Compliance“. Abgerundet wird der Band durch den Aufsatz „Kriminalpolitische Probleme der Wirtschaftskorruption und Compliance“ von Bidasolo.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Der Band thematisiert das große Gebiet der Korruption aus vielen Blickwinkeln und vereint darin verschiedene wissenschaftliche Facetten. Wie die Herausgeber bereits im Vorwort bestätigen, erwächst aus einem solchen Vorgehen ein großer wissenschaftlicher Ertrag. So ist für denjenigen, der sich auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Korruptionsstrafrecht beschäftigt, das vorliegende Werk eine Bereicherung. Auch der Praktiker kann sich Anregungen für seine tägliche Arbeit holen, obwohl für diese ein Blick in ein Handbuch oder Großkommentar wohl besser geeignet sein dürfte.


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