Doepner / Reese, Heilmittelwerbegesetz, 3. Auflage, Vahlen 2018
Von RA Dr. Sebastian Braun, Leipzig.
Die Arbeit im Medizinrecht ist vielseitig. Sie erfasst nicht nur Fragen des ärztlichen Berufsrechts, des Arzthaftungsrechts oder des Medizinstrafrechts. Vielmehr erstreckt sie sich auch auf den Bereich des Werberechts. Bei der monatlichen Fachpresseschau wird man regelmäßig mit zahlreichen Entscheidungen aus diesem Bereich konfrontiert, der sich insbesondere aus den Vorschriften der Berufsordnungen, dem UWG und dem Heilmittelwerbegesetz zusammensetzt. Gerade das HWG stellt jedoch eine komplexe Regelungsmaterie dar, die von einer vielschichtigen Struktur geprägt ist und deren Fortentwicklung von einer umfangreichen Kasuistik gespeist wird. Bei der Arbeit auf diesem Gebiet ist ein praxisnaher und gut verständlicher Kommentar ein unerlässlicher Begleiter. Um diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, haben Doepner/Reese in nunmehr 3. Aufl. 2018 ihren Kommentar für das gesamte Heilmittelwerberecht vorgelegt.
Eine Maßnahme fällt gleich bei Beginn der Lektüre des Buches auf. Sie ist schlicht, erhöht jedoch ungemein das angenehme Handling. Die Rede ist davon, dass vor der Kommentierung das HWG als Ganzes abgedruckt ist. So kann man sich - an einer Stelle zentriert - durch die verschiedenen Paragrafen durcharbeiten, ohne dass der Lesefluss durch die jeweilige - sehr umfangreiche - Kommentierung unterbrochen wird. Sicherlich können die einschlägigen gesetzlichen Normen auch in anderweitigen Gesetzessammlungen oder online eingesehen werden. Allerdings ist es schön, hier alles in einem Band versammelt zu wissen. Ebenfalls vor der Kommentierung ist eine Einleitung abgedruckt, die mehr als 100 Seiten fasst und umfassende Informationen über die Entstehungsgeschichte, europarechtliche und verfassungsrechtliche Vorgaben und vor allem über Notwendigkeit und Zweck des HWG liefert.
Eine zentrale Vorschrift des HWG stellt § 3 dar, der das Verbot einer irreführenden Werbung statuiert. Dabei steht immer die Frage im Fokus, wann Werbung als irreführend einzustufen ist. Hierzu bietet Reese eine Kommentierung an, in der verschiedene Auslegungsmaßstäbe zur Feststellung der Irreführung aufgezeigt und in die Systematik eingeordnet werden. Die Ausführungen von Reese sind sehr umfassend, ohne überladen zu wirken. Dies bestätigt sich auch bei den Erläuterungen zu § 7 HWG. In dieser Norm ist das heilmittelwerberechtliche Werbegabenverbot – samt den Erlaubnistatbeständen – statuiert. Von großer praktischer Relevanz ist § 7 Abs. 1 Nummer 3 HWG. Danach wird das Werbegabenverbot ausgehebelt, sofern die Zuwendung nur in handelsüblichem Zubehör zur Ware oder in handelsüblichen Nebenleistungen besteht. Allerdings wird durch den Terminus „handelsüblich“ seit jeher ein unbestimmter Rechtsbegriff benutzt, der Ausfüllung durch andere Gesetze sowie durch ergangene Judikate und vordringenden Auffassungen im Schrifttum bedarf. Hierzu hält Reese einen Katalog bereit, der Beispiele für unzulässige und zulässige handelsübliche Werbegaben aufführt. Naturgemäß kann bei einer Kommentierung nicht jedwede Entscheidung berücksichtigt werden, insbesondere da das Werk im Wesentlichen den Bearbeitungsstand vom 31.12.2016 zugrunde legt. Insofern stehen für eine neue Auflage genug Entscheidungen zur Verfügung, um die gelungene Darstellung zu erweitern und zu vervollständigen. Beispielsweise sei hier an die Entscheidung des OLG München vom 09.11.2017 (29 U 4850/16) gedacht, in der der Senat einen kostenlosen Eignungscheck für eine Augen-OP als zulässige und handelsübliche Nebenleistung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nummer 3 HWG eingeordnet hat.
Seit dem 04.06.2016 ist - sobald man das Wort Zuwendung im Zusammenhang mit dem Gesundheitssystem hört - immer auch an die §§ 299a, b StGB zu denken. Auch dies lässt die Kommentierung nicht unberücksichtigt und bietet an passender Stelle eine kurze Kommentierung dieser strafrechtlichen Vorschriften an. Hierbei ist zu betonen, dass das maßgebliche strafrechtliche Schrifttum umfassend berücksichtigt worden ist. Generell zeichnet sich das Werk durch eine tiefe Literaturarbeit aus. Jeder Norm ist ein umfassender Literaturkanon vorangestellt. Insbesondere fällt dies bei § 3 HWG auf. Hier werden „nicht nur“ ausgewählte Aufsätze zu § 3 HWG präsentiert, sondern auch relevante Dissertationen, Festschriften und Lehrbücher in einem eigenen Abschnitt dargestellt.
Einer Neuauflage kann nur gewünscht werden, die erreichte Darstellungstiefe beizubehalten. Selbstverständlich wird sich bis dahin das Heilmittelwerberecht weiterentwickeln und neue relevante Fragestellungen aufwerfen, die es dann zu bearbeiten gilt. Gedacht sei zum Beispiel an § 9 HWG, der die Werbung für die Fernbehandlung als unzulässig eingestuft. Hier wird künftig zu erörtern sein, welchen Einfluss die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes, die beim 121. Ärztetag am 10.05.2018 beschlossen wurde und unmittelbaren Eingang in die MBO-Ä gefunden hat, auf die Auslegung des § 9 HWG haben wird.
Allgemein ist jedoch anzuregen, dass die Nachweise zu Rechtsprechung und Literatur bei künftigen Auflagen in einen gesonderten Fußnotenapparat übertragen werden. Bislang sind Rechtsprechung- und Literaturnachweise unmittelbar in den Fließtext eingebunden. Jedoch behindert dies den Lesefluss insbesondere dann, wenn - an sich sehr begrüßenswert - eine große Bandbreite von Belegen aufgeführt wird.
Als Fazit bleibt daher festzuhalten: Derjenige, der regelmäßig mit dem Heilmittelwerbegesetz zu tun hat, wird an einer Lektüre des Doepner/Reese auf Dauer nicht vorbeikommen. Auch wenn der Lesefluss mitunter eingeschränkt wird, bieten sich dem Anwender auf einen Blick die elementaren systematischen Strukturen und - aus Praktikersicht besonders relevant - einschlägige Judikatur in einem umfassenden Maße.