Quantcast
Channel: Die Rezensenten
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2717

Rezension: Handbuch Sozialrechtsberatung

$
0
0
Fasselt / Schellhorn, Handbuch Sozialrechtsberatung, 5. Auflage, Nomos 2017

Von RA'in, FA'in für Sozialrecht Marianne Schörnig, Düsseldorf


Aufgabe des Sozialrechts ist es, dem einzelnen Menschen Schutz vor den Wechselfällen des Lebens zu bieten. Das Gros der sozialrechtlichen Vorschriften ist im SGB (Sozialgesetzbuch) festgehalten. Damit ist aber noch längst nicht das gesamte Sozialrecht abgedeckt. Historisch bedingt umfasst das SGB die klassischen Zweige der Sozialversicherung (z. B. Krankenversicherung, Rentenversicherung), daneben weitere Sozialrechtsgebiete (Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Rehabilitation und Teilhabe). Darüber hinaus gibt es noch Bereiche, die im SGB nicht enthalten sind (Kindergeld), ja, nicht einmal der Sozialgerichtsbarkeit unterfallen (Unterhaltsvorschuß). Andererseits gibt es sozialrechtliche Kernbücher, die nicht der Sozialgerichtsbarkeit unterfallen (Kinder- und Jugendhilfe). Die gesetzlich geregelte Gemengelage ist aufgrund der Vielfalt fast nicht mehr zu durchblicken. Der Wandel in der Sozialrechtsgesetzgebung sowie der Sozialrechtsprechung erfordert ein stetes Anpassen an die jeweils neue Materie. Problematisch ist das in Bezug auf Schrifttum, als dass Lehrbücher und Kommentare bei ihrem Erscheinen teils schon veraltet sind bzw. eine kurze Mindesthaltbarkeit aufweisen. Fasselt / Schellhorn wenden daher einen „Kniff“ an, der zumindest den Überblick über die Materie erleichtert: Sie orientieren sich natürlich im ersten Teil an den althergebrachten Sozialrechtsgebieten (Sozialhilfe, Eltern- und Kindergeld, soziale Entschädigung bei Gesundheitsschäden u. a.), wählen aber im zweiten Teil Begriffe, die einem Berater viel eher etwas sagen. So ist der zweite Teil mit „Lebenslagen und Problemlagen“ überschrieben und gliedert sich dann beispielsweise in „Ausbildung, Armut, Drogen/Sucht, Behinderung, Migrantinnen und Migranten u. a.“.

Der Haken an der ständigen Reformflut (und -wut durch den Gesetzgeber) ist, dass ein so weit gefasstes Buch wie das vorliegende nicht lange auf dem aktuellen Stand sein kann, zumindest nicht auf allen Gebieten.

Die 5. Auflage des HSRB bringt das Handbuch auf den Gesetzes- und Rechtsstand 31.12.2016. Zu diesem Zeitpunkt war das Zweite Pflegestärkungsgesetz vom 21.12.2015 bereits verkündet, mit dem ab 01.01.2017 in der Pflegeversicherung ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt wurde. Schon als Entwurf vorhanden, aber im Ausmaß seiner reformatorischen Wucht noch nicht erkennbar war das Bundesteilhabegesetz (BTHG), das sukzessive (01.01.2017, 01.01.2018 und 01.01.2020) in Kraft tritt. Schon seit der 4. Auflage des Buches war der Gesetzgeber im Bereich des Sozialrechts besonders aktiv gewesen. Von Änderungen betroffen waren vor allem die Grundsicherung für Arbeitsuchende, die Sozialhilfe, das Asylbewerberleistungsrecht sowie die Kranken- und Pflegeversicherung.

Bereits berücksichtigt sind in der 5. Auflage auch das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz 2017 auf dem Stand des Gesetzentwurfs vom 17.10.2016, das Dritte Pflegestärkungsgesetz auf dem Stand des Gesetzentwurfs vom 05.09.2016, das Bundesteilhabegesetz auf dem Stand des Gesetzesentwurfs vom 05.09.2016 in den vor allem betroffenen Kapiteln über SGB II, XI und XII sowie das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch auf dem Stand des Gesetzesentwurfs vom 07.11.2016.

Herausgeber sind Ursula Fasselt, Professorin für Sozial- und Verwaltungsrecht, Europarecht und Menschenrechte an der University of Applied Sciences in Frankfurt und Helmut Schellhorn, Professor für Sozialrecht und Recht in der Pflege an der University of Applied Sciences in Frankfurt. Weitere Bearbeiter sind Prof. Dr. Frank Ehmann, Rechtsanwalt, Frankfurt University of Applied Sciences, Prof. Dr. Dorothee Frings, Hochschule Niederrhein, Mönchengladbach, Prof. Dr. Rainer Kessler, Brechen, Prof. Dr. Gerhard Nothacker, Fachhochschule Potsdam, Prof. Dr. Jürgen Sauer, Hochschule RheinMain, Wiesbaden, Dr. Clarita Schwengers, Esslingen und Prof. Dr. Jürgen Winkler, Katholische Hochschule Freiburg.

Das Werk ist in drei Teile mit darin enthaltenen 27 Paragrafen gegliedert. Ein Vorwort zur 5. und ergänzend zur 1. Auflage und ein Bearbeiterverzeichnis sind vorangestellt. Jede einzelne Vorschrift wird mit einem eigenen Inhaltsverzeichnis mit Randziffern begonnen: Teil I: Sozialleistungsrecht; Teil II: Lebenslagen und Problemlagen; Teil III: Beratung. Das Werk schließt mit einem Gesamtliteraturverzeichnis und einem Stichwortverzeichnis ab.

Dieses Buch ist ein Werkzeug für die Personen, die im Sozialrecht sachgebietsübergreifend beratend tätig sind. Es ist weder Kommentar noch Lehrbuch für die einzelnen Sozialrechtsbereiche. Die Darstellung orientiert sich allgemein an dem Ablauf von Beratungssituationen und sich daraus ergebenden Sachfragen. Daher sind die Adressaten auch in zwei Kreise aufzuteilen: Teil I richtet sich an diejenigen, die juristisch vorgebildet sind und schon wissen, in welchem SGB (oder anderem Gesetz) sie suchen müssen (z. B. § 7 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder § 1 Ausbildungsförderung). Teil II richtet sich nach der Beratungssituation (Kinder/Jugendliche, Krankheit, Pflegebedürftigkeit).

Nicht jeder Mensch und auch nicht jede Institution ist befugt Dritte gegen Entgelt rechtlich zu beraten. Bei einer fehlerhaften Beratung kann der Beratende zur Haftung herangezogen werden. Das gilt auch für fehlerhafte private unentgeltliche Beratung bei Privatpersonen untereinander. Unentgeltlich ist auch die Beratung durch Beschäftigte von Sozialleistungsträgern, soweit es ihren Aufgabenkreis umfasst (§§ 13 – 15 SGB I). Grundsätzlich gibt es Haftungsregelungen. Die Autoren haben einen eigenen Teil des Buches und einen eigenen Paragrafen vorgesehen, in dem die rechtlichen Grundlagen detailliert und sehr anschaulich erläutert werden.

Auch mit der 5. Auflage möchten Herausgeber und Autoren des Handbuchs den in der Sozialberatung tätigen Personen ein aktuelles, gut verständliches Werkzeug an die Hand geben, das in komplexen Lebenslagen und bei existenziellen Lebensfragen Hilfestellung bietet. Der Neuauflage ist das Plakat „Sozialleistungen im Überblick“ beigefügt. Das erleichtert gerade den mit Teil II Angesprochenen, alle Sozialleistungen sofort aus der Beratungssituation heraus zu erfassen.

Durch die andauernden Reformen im Sozialrecht sind Teile des Kommentares zum Zeitpunkt der Rezension leider schon überholt (z. B. der Teil über die kleineren Barbeträge des § 90 SGB XII). Der größere Teil ist jedoch von den Reformen nicht betroffen. Wie oben erwähnt, bezieht sich ein Teil des Buches auf Bereiche, die außerhalb der klassischen Sozialgesetzbücher liegen und diese gelten unverändert fort. Außerdem empfiehlt es sich im Sozialrecht, immer 2 – 3 verschiedene Quellen parallel zu einem Problem zu lesen. Insgesamt ist das Buch gerade wegen seiner übergreifenden Betrachtungsweise und der Orientierung an Lebenslagen ein wertvoller Helfer für die tägliche Praxis.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 2717