Henssler / Gehrlein / Holzinger, Handbuch der Beraterhaftung für Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, 1. Auflage, Carl Heymanns 2018
Von RA Christoph R. Müller, Leipzig
Beratertätigkeit ist haftungsträchtig. Dies auch, weil selbst einfach erscheinende Fälle nicht selten eine enorme Komplexität aufweisen. Forderungen nach einer umfänglichen Beratung gepaart mit dem Anspruch alles wirtschaftlich sinnvoll, gar sparsam, auszugestalten, führen zu Konflikten, die der Berater, gleich ob Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer meistern muss. Ein Handbuch für die Haftungsfragen für gleich alle drei Berufsgruppen gab es bisher noch nicht. Die Herausgeber haben dies als Marktlücke erkannt. Tatsächlich ist die Vermeidung eines Haftungsfalls oder jedenfalls seine professionelle Bewältigung einschließlich der Abwicklung des eingetretenen Versicherungsfalls im Interesse eines jeden Beraters. Insoweit kann ein Werk, wie das vorliegende, durchaus seine Berechtigung haben.
Auf den ersten Blick gehen die Herausgeber und mit ihnen die 10 weiteren Autoren die Sache systematisch und instruktiv an. Es werden mehrfach nicht nur die Gemeinsamkeiten der Beraterhaftung herausgestellt, vielmehr werden auch die Besonderheiten berücksichtigt.
In insgesamt 9 Kapiteln werden Haftungsfragen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Allerdings stolpert man über den gewählten Aufbau. Nachdem in den Kapiteln 1 und 2 die Haftungstatbestände allgemein und der Haftungsprozess unter die Lupe genommen werden, befasst sich das Kapitel 3 mit den Pflichten des Anwalts aus dem Mandatsverhältnis und das Kapitel 4 mit denen des Steuerberaters. Etwas überraschend folgt im Kapitel 5 die Betrachtung der Haftung aus dem Mandatsverhältnis für Steuerberater und Rechtsanwälte zusammen, während das Kapitel 6, welches sich mit Steuerstraf- und steuerrechtlichen Haftungsrisiken befasst, offensichtlich nur auf Steuerberater beschränkt ist. Dieser Aufbau überzeugt nicht. Nicht nur, dass auch Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer (§ 3 BRAO bzw. § 2 Abs. 2 WPO jeweils i.V.m. § 3 Nr. 1 Var. 5 StBerG) steuerberatend tätig sein dürfen. Vielmehr werden die nicht unwesentlichen strafrechtlichen Haftungstatbestände, welche alle drei beratenden Berufsgruppen gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität im Blick haben müssen, nicht gleichwertig behandelt. Das Kapitel 6 erscheint daher eher einem Werk zur Steuerberaterhaftung entnommen, als dass es sich sinnvoll in das thematisch übergreifende Handbuch einfügt.
Diese Fragmentierung des Handbuchs in die drei Berufsgruppen setzt sich fort mit Kapitel 7, welches sich mit der Berufshaftung der Wirtschaftsprüfer befasst. In diesem für sich abgeschlossenen Kapitel werden die Besonderheiten der Wirtschaftsprüferhaftung dargestellt. Dies ist insoweit konsequent, als dass Wirtschaftsprüfer auf Grund der von ihnen wahrgenommenen amtlichen Tätigkeit etwa bei der Prüfung von Jahresabschlüssen gerade keine Interessenvertreter sind. Im Bereich der Steuer- und der Wirtschaftsberatung sind Wirtschaftsprüfer aber gleichwohl Interessenvertreter ihrer Mandanten, ähnlich wie Steuerberater und Rechtsanwälte. Insoweit wäre eine engere Verzahnung in der Darstellung wünschenswert. Immerhin vereinzelt wird auf den allgemeinen Teil des Werkes explizit hingewiesen (etwa in Kapitel 7, Rn. 89).
Wenn man sich nun dem Werk näher widmet, wird die unterschiedliche Bearbeitungstiefe und -qualität deutlich. Gerade in den beiden ersten Kapiteln werden die Grundlagen verständlich vermittelt. So ist erwähnenswert, dass zu durchaus komplizierteren und umstrittenen Fragen, wie der Treuhand des Rechtsanwalts zugunsten des Mandanten und zugleich des Gegners, etwa bei der Abwicklung eines Mandats, klar Stellung bezogen und das notwendige Verständnis vermittelt wird. Die Warnung vor der doppelseitigen Treuhand wegen widerstreitender Interessen ist deutlich formuliert. Aber auch wenn das Werk vornehmlich die zivilrechtliche Haftung im Blick hat, wäre ein Hinweis auf die Strafbarkeit wegen Parteiverrat oder die möglichen berufsrechtlichen Folgen nicht unangebracht.
Dem Rezensenten als etwas oberflächlich aufgefallen sind die Fundstellenbelege im Kapitel 3. Es drängt sich der Eindruck auf, als dass für einzelne Abschnitte nahezu ausschließlich mit ein oder zwei Quellen gearbeitet wurde. So wird bei den Ausführungen zur Rechtswahlklausel(Kapitel 3 Rn. 559) in den drei verwendeten Fußnoten das gleiche Werk mit der identischen Fußnote angeführt. Ähnliches gilt für den Abschnitt Einseitige Rechtsgeschäfte und rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen (Kapitel 3 Rn. 562-563). Dort wird in sechs Fußnoten fünf Mal das Handbuch der Anwaltshaftung mit der gleichen Randnummer zitiert und zwei Mal die identische Fundstelle eines BGH Urteils. Nicht großartig anders ist es bei den Ausführungen zum Baurecht (Kapitel 3 Rn. 588 bis 592). Der Fußnotenapparat besteht aus der wiederholten Verweisung auf Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, § 28 Rn. 13, sowie Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts. Diese Art der Darstellung und des Beleges für die Ausführungen greift auch für ein Handbuch für die Praxis zu kurz. Von einem Buch mit mehr als 1300 Seiten darf man weitergehende Informationen erwarten. Wenn die Ausführungen aber so knapp und einseitig sind, ist der praktische Nutzen beschränkt.
Mit Misstrauen für die Praxistauglichkeit ist auch dem Kapitel 8 zu begegnen. Hier ist mindestens das Lektorat ausgefallen. Die Abhandlung zur Haftung bei mehreren Berufsträgern leidet nicht nur unter grammatikalischen Fehlern (bspw. Rn. 2 letzter Satz, Rn. 3 vor Fußnote 8, Rn. 20 vor Fußnote 43).
Was der Satz „Auch für vor Inkrafttreten der seit dem Jahr 2000 geltenden Bestimmungen vereinbarte Haftungsbeschränkung ist nicht generell wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) als unwirksam zu erachten“ (Kapitel 8, Rn. 13), bedeuten soll, kann man bestenfalls erahnen. Für ein Handbuch zur Beraterhaftung ist dies allerdings untauglich. Lediglich ärgerlich erscheint dem gegenüber die falsche Norm, die zur Beschränkung der Haftung der Mindestversicherung herangezogen wird (aaO). Statt auf § 52 Abs. 1 Nr. 1 wird auf § 51a BRAO verwiesen.
Nicht überzeugen kann die Unterscheidung zwischen der Haftung der Sozietät (Kapitel 8, Rn. 15 ff.) und der Einstandspflicht der Sozien (Rn. 24 ff), wenn inhaltlich in beiden Abschnitten in weiten Teilen die Haftung Sozien erläutert wird (vgl. Rn. 20 a.E., 21 a.E.).
Nimmt man praktische Stichproben beispielsweise in Bezug auf die Haftung für Datenschutzverstöße vor, folgt leider ebenfalls eine Enttäuschung. Nicht, dass dies einen nennenswerten Umfang einnehmen sollte. Wenn aber Ausführungen zu den Haftungsfolgen aus Datenschutzverstößen erfolgen, sollten diese hinreichend aktuell sein. Mit Blick auf die seit 25.05.2018 gültige DSGVO läge es nahe, ein paar Worte hierzu zu verlieren. Immerhin findet man im Kapitel 9, also aus der Perspektive der Berufshaftpflichtversicherung, in den Rn. 628 ff. eine Darstellung zur Verletzung von Datenschutzbestimmungen. Doch obwohl die DSGVO bereits seit 24. Mai 2016 vorliegt, gibt es im Handbuch auf diese Verordnung keinen Hinweis. Dies ist enttäuschend.
Fazit: Es wäre fahrlässig, wenn man sich als Berufsträger nicht mit den Risiken der Beraterhaftung auseinandersetzt. Ob man mit diesem Buch dem anzulegenden Sorgfaltsmaßstab gerecht wird, ist allerdings nicht gesichert. Das Werk leidet in der vorliegenden ersten Auflage noch an einigen Fehlern, die vorkommen können, aber nicht vorkommen sollten. Insoweit bleibt zu wünschen, dass die Herausgeber und der Verlag die Herausforderung annehmen und das konzeptionell gute Werk überarbeiten, auf dass zukünftige Auflagen den Wert bringen, den man sich von solch einem Handbuch verspricht.