Satzger / Schluckebier / Widmaier (Hrsg.), StGB Kommentar, 3. Auflage, Carl Heymanns 2016
Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Johannes Berg, Kaiserslautern
Mittlerweile in 3. Auflage erscheint im Carl Heymanns Verlag der von Satzger, Schluckebier und Widmaier herausgegebene Kommentar zum Strafgesetzbuch. Das den „mittleren Kommentaren“ zuzuordnende Werk verspricht, eine kompakte, übersichtliche und leicht lesbare Erläuterung der gesetzlichen Regelungen des deutschen Straf- und Strafprozessrechts und seiner europäischen Bezüge zu sein, die sich einerseits an den Bedürfnissen der Praxis orientiert, in dem vor allem aber die höchstrichterliche Rechtsprechung umfassend dargestellt und kommentiert wird. Andererseits soll der SSW-StGB gemeinsam mit seinem Schwesterwerk SSW-StPO wertvolle Impulse für die Wissenschaft geben, indem kriminalpolitischen Fragestellungen Raum gegeben und die praktische Handhabung des Strafstrafverfahrensrechts einer kritischen Würdigung unterzogen wird.
Das Bearbeiterverzeichnis mag Strafverteidiger auf den ersten Blick irritieren, nachdem sich unter den klangvollen Namen der Autoren neben Angehörigen der Lehre ausschließlich die Namen von Richtern und Staatsanwälten finden. Dass daraus indes keinesfalls der Schluss gezogen werden sollte, es handele sich um einen für die Justiz bestimmten Kommentar, soll noch erläutert werden.
Das Erscheinen der Neuauflage nach lediglich 3 Jahren war vor dem Hintergrund der Tatsache geboten, dass das Strafgesetzbuch (soweit ersichtlich) nicht weniger als 15 Änderungen erfahren hat. Dazu zählen insbesondere die Neufassung des § 108e StGB, die Novelle des Sexualstrafrechts, das Gesetz zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 12.6.2015, das neue Korruptionsgesetz, die Neufassung des § 217 StGB, die Neueinführung des § 202d StGB sowie der §§ 299a und § 299b StGB. Obgleich die Flut von Gesetzesnovellen kein Ende annimmt, konnten zum Redaktionsschluss der Neuauflage nicht mehr sämtliche Änderungen erfasst werden. Gleichwohl beschäftigt sich das Werk inhaltlich mit diesen, nachdem die Gesetzgebungsvorhaben den Autoren freilich bekannt waren.
Inhaltlich findet sich zu jeder Vorschrift des StGB eine Kommentierung, die jeweils zwischen Grundsätzlichem, den eigentlichen Erläuterungen zum materiellen Strafrecht, etwaigen Ausführungen zu Rechtswidrigkeit und Schuld, der Beteiligung, des Versuchs, der Begehung durch Unterlassen, insbesondere aber auch (stets zum Ende einer jeden Kommentierung) die wichtigsten prozessualen Fragen behandelt. Darin liegt, ungeachtet des enormen Nutzens des Schwesterwerks zur StPO, womöglich die größte Stärke des „SSW“; sind in der justiziellen Praxis das materielle Strafrecht und die Strafprozessordnung doch untrennbar verbunden.
Betrachtet man beispielhaft die neue Kommentierung des § 217 StGB von Momsen, finden sich zunächst grundsätzliche Erwägungen zum Schutzzweck, Rechtsgut und der Verfassungsmäßigkeit der heftig diskutierten Norm (vgl. statt vieler Roxin NStZ 2016, 185). Die Erläuterung des objektiven Tatbestandes gelingt beinahe alleine auf Grundlage der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 18/5373, Seite 2ff.) sowie der Kommentierung von Oglakcioglu im BeckOK-StGB bemerkenswert präzise. Die Ausführungen Momsens in Rn. 9 mögen exemplarisch für den Stil des Kommentars sein. So erläutert dieser ohne jegliche Wertung, dass der Gesetzgeber sinnigerweise das Merkmal der „Geschäftsmäßigkeit“ der Selbsttötung am Begriff des § 206 StGB orientiert hat, wo es indes nicht um Selbsttötungen sondern den Schutz von Post- und Fernmeldegeheimnissen geht.
Ebenso wie Momsen gelingt es auch Rosenau(wie aber auch den übrigen Autoren), etwa hinsichtlich der neu eingefügten Vorschrift des § 299a StGB eine sich nahtlos in das Werk einfügende, präzise, eingängige und äußerst kritisch-fundierte Kommentierung zu leisten. Wenngleich es verwundert, dass Rosenau an keiner Stelle das „Praxiswissen Korruptionsstrafrecht“ von Sommer und Schmitz (http://dierezensenten.blogspot.de/2017/11/rezension-praxiswissen.html) zitiert, ist gleichwohl zu konstatieren, dass ihm auf Grundlage der noch recht bescheidenen Rechtsprechungsnachweise und Literatur eine sehr umfassende Kommentierung mit Tiefe gelingt. Besondere Beachtung verdient an dieser Stelle, dass die Kommentierung neben strafprozessrechtlichen Aspekten auch den praktisch äußerst bedeutsamen Blick auf berufsrechtliche Fragen der Ärzte und Angehörigen der Heilberufe aufnimmt (Rn. 48 ff.). Hier (wie im Ganzen) finden sich zahlreiche Erleichterungen für den Leser durch Fettdruck der wichtigsten Schlagworte. Soweit das Werk Zitate im Text statt in Fußnoten enthält, leidet die Lesbarkeit darunter wenig. Statt „Zitatmonstern“ beschränken sich die Nachweise nämlich stets auf wenige aktuelle und für den Praktiker nutzbare Zitate aus der Rechtsprechung und praktisch relevanten Literatur.
Wenngleich sich – wie schon ausgeführt – unter den Autoren kein einziger Rechtsanwalt findet, erfrischt der Kommentar gerade innerhalb der Ausführungen zu grundsätzlichen Fragen durch offene und mutige Kritik. Gleiches gilt für die in der Kommentierung vertretenen Auffassungen, die eher einer liberalen als einer strengen justiziell-konservativen Grundauffassung entspringen. Vertretene Minderheitsmeinungen werden dabei argumentativ stärker und besser begründet als der Umfang von „nur“ 2476 Druckseiten glauben macht.
Um damit zu einem Fazit zu kommen: der SSW-StGB stellt die einzige größere Kommentierung zum Strafgesetzbuch innerhalb eines Bandes dar, die gleichermaßen wissenschaftliche Tiefe, dezidierte Argumentation wie auch praktisch bedeutsame Informationen enthält. Derzeit der beste „mittlere“ Kommentar zum Strafgesetzbuch – ein Muss!