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Rezension: Arbeitsrecht

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Kittner / Zwanziger / Deinert / Heuschmid (Hrsg.), Arbeitsrecht – Handbuch für die Praxis, 9. Auflage, Bund 2017

Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., Essen

  
Der Kittner/Zwanziger/Deinert ist einer der Klassiker der arbeitsrechtlichen Handbücher und erscheint – nunmehr als Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid – bereits in der 9. Auflage. Mehr als zwei Jahre seit dem Erscheinen der Vorauflage war eine Neuauflage – gerade in einem sich derart schnell entwickelnden Rechtsgebiet wie dem Arbeitsrecht – unausweichlich. Das Werk berücksichtigt die Rechtsentwicklung bis Ende April 2017. So finden nunmehr etwa das Tarifeinheitsgesetz, die AÜG-Reform, das Bundesteilhabegesetz oder etwa die neue Arbeitsstättenverordnung Berücksichtigung. Neu hinzugetreten ist auch Johannes Heuschmid, der fortan den Kreis der Herausgeber um Michael Kittner, Bertram Zwanziger und Olaf Deinert komplettiert. Die Zitation des Werks wird dadurch nicht einfacher. Der Verlag schlägt „Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid“ vor (S. XIII); wohlmöglich wird in der Praxis aber die bereits bislang vielfach verwandte Abkürzung „KZD“ entsprechend erweitert, „KZDH“ also zur Abkürzung der Wahl.

Das Werk hat seit der Vorauflage merklich an Umfang – nicht aber an Qualität, soweit sei bereits an dieser Stelle vorweggenommen – verloren, sodass nun wieder Spielraum nach oben verbleibt. Man habe das Werk „straffen“und „entschlacken“ wollen, so die Herausgeber im Vorwort (S. V). Dabei sind vor allem Besonderheiten einzelner Branchen entfallen; Besonderheiten für große Gruppen, etwa Beschäftigte im öffentlichen Dienst, bei Kirchen oder im Bauhauptgewerbe werden hingegen weiterhin ausführlich dargestellt.

Das Handbuch ist grob in sechs Teile, diese sind wiederum in grobe Abschnitte und Kapitel untergliedert. Im ersten Teil werden die Grundlagen erläutert. Sodann werden Begründung und Inhalt des Arbeitsverhältnisses (Teil 2) sowie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Teil 3) behandelt. Weitere Teile behandeln Übergreifende Fragen (Teil 4), Besonderheiten (Teil 5) sowie das arbeitsgerichtliche Verfahren (Teil 6). Jedem Kapitel ist eine eigene Inhaltsübersicht vorangestellt. Findet man über die Gliederung oder die jeweilige Inhaltsübersicht einmal nicht direkt zum gesuchten Problem, so hilft das feingegliederte, 90 Seiten umfassende Sachverzeichnis meist weiter.

Naturgemäß können nur einige wenige Problemkreise im Rahmen einer Rezension Beachtung finden. Hoch aktuell ist etwa die Regelung der Rahmenbedingungen des mobilen Arbeitens. Während Telearbeit nach § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) einen vom Arbeitgeber fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich des Beschäftigten vorsieht, für den der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat, ist mobiles Arbeiten überall möglich. Auch „Home-Office“ fällt, wie Heuschmid treffenderweise ausführt (§ 118, Rn. 53), unter den Begriff des mobilen Arbeitens. Mangels eines speziellen gesetzlichen Rahmens besteht beim mobilen Arbeiten ein großer Gestaltungsspielraum der Arbeits- und Tarifvertrags-, vor allem aber der Betriebsparteien. Heuschmid stellt zunächst den rechtlichen Rahmen dar, etwa hinsichtlich der Einführung von mobilem Arbeiten, Haftungsfragen sowie dem Betriebsrisiko (§ 118, Rn. 54 ff.). Eingehend widmet er sich sodann den in der betrieblichen Praxis oft umstrittenen Fragen der Sicherstellung des Arbeits- und der Einhaltung des Datenschutzes. Heuschmid stellt richtigerweise fest, dass mobiles Arbeiten nicht der ArbStättV unterfällt, das ArbSchG aber Anwendung findet (§ 118, Rn. 60 f.). Besondere Bedeutung komme in diesem Zusammenhang insbesondere der Gefährdungsbeurteilung zu. Was für Vorkehrungen aber abgesehen davon zur Einhaltung des Arbeitsschutzes i.S.d. §§ 3 ff. ArbSchG zu treffen sind – dazu enthält sich der Autor weitestgehend. In der Literatur werden insoweit verschiedenste Vorschläge diskutiert, von regelmäßiger Unterrichtung, über die Mitteilung von neuen Gefährdungsquellen bis hin zu zeitlichen Beschränkungen der mobilen Arbeit (so etwa Oberthür, NZA 2013, 246). Der Arbeitgeber kann aber auch dadurch entsprechende Vorkehrungen treffen, indem er eine bestimmte Ausstattung des „Home-Offices“ verlangt, insbesondere Schreibtisch, Stuhl und entsprechende Beleuchtung. Im Übrigen könnten Videos zu ergonomischem Arbeiten, etc. einen wichtigen Beitrag zum Arbeitsschutz leisten. Heuschmid hingegen bleibt auch in der beigefügten Checkliste „BV Mobilarbeit“(zu § 118) insofern vage.

Auch die Ausführungen zum Datenschutz sind beachtenswert. Insbesondere plädiert Heuschmid dafür, dass der Arbeitgeber „den Beschäftigten zur Mobilarbeit die entsprechenden Endgeräte kostenlos zur Verfügung stellt“ (§ 118, Rn. 62), was aber wohl nur in Teilen der Arbeitswelt, insbesondere in Großbetrieben und Konzernen, realitätsnah sein dürfte. In der erwähnten Checkliste für eine Betriebsvereinbarung schlägt der Autor sogar vor, ggf. ein „Verbot der Nutzung eigener privater Geräte für arbeitstechnische Zwecke“(„Checkliste „BV Mobilarbeit“zu § 118) in entsprechende Vereinbarungen aufzunehmen. Interessant dürfte allerdings vielerorts sein, wie – rechtlich und technisch – auch eine Arbeit der Beschäftigten am heimischen Smartphone, Tablet oder Computer ermöglicht werden kann. Insoweit wären weitere Ausführungen wünschenswert.

Dabei vernachlässigt Heuschmid nie den Blick auf das Arbeitnehmerinteresse. So zeigt er durchgängig auf, wo kollektivarbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen und wie diese genutzt werden können. Gleiches gilt hinsichtlich der „Arbeitszeit im Home-Office“ bzw. beim mobilen Arbeiten, bspw. der Fragestellung, wann eine Unterbrechung der Ruhezeit nach § 5 Abs. 1 ArbZG vorliegt. Richtigerweise sieht der Autor keine gesetzliche Grundlage, um „im Fall von geringfügigen Arbeitseinsätzen keine Unterbrechung der Ruhezeit vorzusehen“ (§ 28, Rn. 48). Denn eine derartige Auslegung würde dem Sinn und Zweck des Gesetzes erheblich widersprechen.

Wertvoll für die Beratungspraxis ist das Werk allemal, insbesondere aber dann, wenn es – wie vorstehend – um Arbeitnehmerinteressen und -mandate geht. So bietet der Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid an vielen Stellen stringente Argumentationslinien an, um im Sinne von Arbeitnehmern bisher nicht vollends entschiedene Konstellationen zu lösen bzw. zu gestalten. Das Handbuch stellt insoweit eine wahre „Fundgrube“ für den arbeitsrechtlichen Praktiker dar.

Sehr positiv hervorzuheben und äußerst zeitgemäß ist zudem die mitsamt dem Druckexemplar zur Verfügung gestellte digitale Zugriffsmöglichkeit. In der Praxis führt dies häufig zu einigem Effizienzgewinn, da mittels Suchfunktion die einschlägigen Stellen sehr schnell gefunden werden können. Zudem wird das unmittelbare Nutzbarmachen von Musterformulierungen, Verträgen oder Schriftsatzbausteinen für eigene Schriftsätze oder Ausarbeitungen durch die digitale Bereitstellung wesentlich erleichtert. Als Wermutstropfen bleibt, dass sich die Arbeitshilfen nicht im Druckexemplar wiederfinden. Nach hiesigem Dafürhalten wäre dies wünschenswert, um ein „gesplittetes Lesen“ vermeidbar zu machen. So gehören die rechtlichen Ausführungen auf der einen und die praktischen Arbeitshilfen auf der anderen Seite doch oftmals derart untrennbar zusammen, dass das „Auseinanderreißen“ den Arbeitsfluss nicht gerade erleichtert.

Preis und Leistung des Handbuchs stehen in einem äußerst guten Verhältnis, wenngleich das Druckpapier doch äußerst dünn geraten ist. Gerade bei einem solchen Werk, das etwa in der betrieblichen Praxis von Betriebsräten durch viele Hände wandern mag, wäre ein stärkeres Papier wünschenswert.

Das Handbuch richtet sich – so besagt es der Klappentext – neben den üblichen Adressaten insbesondere an Gewerkschaftssekretäre, Berater und Betriebsräte. Für sie wird das „große Standardwerk“(Verlagsankündigung) einen großen Gewinn darstellen. Die Struktur und Aufbereitung des Werks ist sehr geeignet, um auch interessierten – und oftmals durch die betriebliche Praxis vorgebildeten – Laien ein guter Begleiter zu sein. Aber auch für das Arbeitnehmermandat stellt der Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid eine gelungene Arbeitshilfe dar – genau das, was man von einem „Handbuch für die Praxis“ erwartet.

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