Musielak (Hrsg.), Kommentar zur Zivilprozessordnung, 10. Auflage, C.H. Beck 2013
Von RA Dr. Tobias Hermann, Hamburg
Der neue „Musielak“ verspricht, dass er Klagen zum Genuss machen würde und der Verfasser hat anhand einiger Rechtsfragen aus dem eigenen medienrechtlichen Dezernat zum Eilrechtsschutz bei Unterlassungsansprüchen überprüft, ob diese Ankündigung wirklich stimmt. Zunächst ging es um die Rechtsprechung zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO und die Frage, wo eigentlich der Betroffene einer Internet-Berichterstattung Klage erheben kann. Der „Musielak“ stellt in Rn. 18 zuverlässig die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum „Begehungsort“ dar, die bekanntlich mehr fordert, als die reine Abrufbarkeit der Seite am Ort des Empfängers. Die Grundsätze des „fliegenden Gerichtsstandes“ für Print-Veröffentlichungen sind hier gerade nicht anwendbar, sondern es bedarf einer bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit der Website. Praxistest gelungen!
Weiter wollte der Verfasser wissen, wie eigentlich die Eilbedürftigkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren von den verschiedenen Oberlandesgerichten ausgelegt wird. Diese enorm praxisrelevante Frage kann eine beträchtliche Hürde darstellen, da einige Gerichte hier sehr streng von 4 Wochen ab Kenntnis der Rechtsverletzung ausgehen, andere auch 5-6 Wochen für ausreichend halten. Dazu findet der Leser weder bei der Kommentierung zum Verfügungsgrund bei § 935 (Rn. 13) noch bei § 940 ZPO (Rn. 22, 25-26) eine Aufstellung der verschiedenen von den OLGs zugrunde gelegten Eilfristen, wie sie sich z.B. im Wettbewerbskommentar (im Regelfall bei § 12 UWG) findet. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang auch eine Antwort auf die Frage, wann die Eilfrist eigentlich genau zu laufen beginnt, denn häufig kennt der Geschädigte zwar die Rechtsverletzung (z.B. einen rechtswidrigen Artikel), aber nicht die Person und Adresse des Schädigers oder ihm fehlt eine eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaftmachung der Rechtsverletzung. An dieser Stelle sei eine Ergänzung in der 11. Auflage oder im Online-Bereich des Verlages angeregt.
Sodann stellte sich dem Verfasser in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Anrufung eines unzuständigen Gerichts im einstweiligen Rechtsschutz und die daraufhin auf Antrag erfolgte Verweisung an das zuständige Gericht eigentlich die Eilfrist wahrt. Diese Frage ist tückisch, wenn nämlich die zu wahrende Frist vor der Verweisung abgelaufen ist. Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ja nur anhängig ist und § 281 ZPO die Rechtshängigkeitvoraussetzt (§ 281 Rn. 5), kann der Antragsteller nur die Abgabe an das zuständige Gericht verlangen (§ 281 Rn. 13). In diesem Fall wird die Eilfrist daher nicht gewahrt. Praxistest gelungen!
Schließlich war noch die Frage zu klären, an wen eine einstweilige Verfügung eigentlich zugestellt werden muss, wenn sich für den Antragsgegner ein Anwalt lediglich zur Beantwortung der außergerichtlichenAbmahnung legitimiert hat. Im Rahmen der Kommentierung zu § 172 ZPO wird der Leser gleich in Rn. 2 nunmehr auch zu dieser wichtigen Frage fündig und erfährt, dass zwischen dem gerichtlichenund vorgerichtlichen Verfahren zu trennen ist. Dementsprechend hat der Verfasser der Partei zugestellt und zugleich - überobligationsmäßig - dem generischen Anwalt, der sich jedoch umgehend für nicht zustellungsbevollmächtigt erklärt und die Entgegennahme der Verfügung zurückgewiesen hat. Praxistest also auch insoweit gelungen!
Diese Frage kann übrigens schnell einmal zum Stolperstein werden, wenn sich nämlich die Vollziehungsfrist für die einstweilige Verfügung (§§ 929 II, 936 ZPO) dem Ende zuneigt und der gegnerische Anwalt einfach abwartet, bis die Vollziehungsfrist abgelaufen ist und dann die Aufhebung der Verfügung beantragt.
Fazit: Der „Musielak“ hält, was er verspricht und erweist sich als zuverlässiger und unverzichtbarer Begleiter im Anwaltsalltag.