Daimagüler, Der Verletzte im Strafverfahren, Handbuch für die Praxis, 1. Auflage, Verlag C.H. Beck 2016
Von Rechtsanwältin Julia Schenke, Schneverdingen
Die Vertretung von Personen im Bereich des sog. Opferschutzes weist ein weites Feld rechtlicher Handhabungen auf, die geeignet sein können, eine umfangreiche Interessenvertretung der Opfer zu ermöglichen. Allerdings ist es sowohl im außergerichtlichen- als auch im gerichtlichen Bereich mit der Übersichtlichkeit der weit gestreuten Regelungen innerhalb verschiedener Rechtsgebiete (u.a. Straf-, Zivil- und Sozialrecht) nicht weit her und die immer wieder unternommenen oder auch nur angedachten Reformen der Stärkung von Opfern von Straftaten erleichtern die Übersicht nicht unbedingt. Zudem scheint es bei manchem Beteiligten im Rahmen von Opferschutzverfahren, ganz gleich ob im gerichtlichen oder außergerichtlichen Bereich, an tiefergehenden Kenntnissen zu fehlen, so dass sich solche ohnehin meist langwierigen Verfahren oftmals noch zusätzlich in die Länge ziehen. Da verwundert es nicht, dass wirklich brauchbare Literatur in diesem Bereich rar gesät ist.
Umso erfreulicher ist das Erscheinen des vorliegenden Werkes, welches mit Daimagüler einen insbesondere in strafrechtlichen Großverfahren erfahrenen Rechtsanwalt aufweist. Bekannt ist Daimagüler spätestens aufgrund der Vertretung von Familien der Opfer im NSU-Verfahren.
Inhaltlich geht das Buch zum einen auf den präventiven Opferschutz ein und behandelt diesbezüglich u. a. die Schutzanordnungen nach dem GewSchG und erläutert Besonderheiten bei Opfern häuslicher Gewalt. In diesem Zusammenhang wird auch auf die möglichen Maßnahmen wie die Beschränkung des Umgangsrechts, § 1684 Abs. 4 BGB, und/oder die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil, 1671 BGB, hingewiesen, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt. Die Verfahren werden in aller Kürze beschrieben und es wird auf die einschlägigen Normen verwiesen. Eine ausführlichere Darstellung würde am Thema des Buches vorbeigehen, nicht im Familienrecht tätigen Beteiligten werden aber somit die den strafrechtlichen Opferschutz erweiternden familienrechtlichen Maßnahmen verdeutlicht.
Neben den allgemeinen Verfahrensrechten eines Verletzten wird zudem der Verletzte als Zeuge und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten im Hinblick auf die Zeugenvernehmung sowie die Zeugenaussage thematisiert.
Zudem werden die Voraussetzungen der Beiordnung des Zeugenbeistands erläutert und vor allem die (umstrittene) Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln gegen ablehnende Beschlüsse erläutert.
Weitere wichtige Themengebiete im Rahmen der Vertretung von Verletzten in Strafverfahren sind zum einen die Nebenklage, zum anderen aber auch das Privatklage- und das Klageerzwingungsverfahren als auch das Adhäsionsverfahren. Wobei es im Hinblick auf die Bedeutung der Nebenklage nicht verwundert, dass diese einen Schwerpunkt des Werkes ausmacht.
Nichtsdestotrotz ist nach Ansicht der Autorin insbesondere das ausführliche Kapitel zum Adhäsionsverfahren hervorzuheben. Dieses wird nicht nur in der Literatur sondern auch in der Praxis nach hiesiger Meinung allzu stiefmütterlich behandelt, obwohl, wie auch der Autor des vorliegenden Werkes hervorhebt, es dem Verletzten einer Straftat eine Möglichkeit bietet, seine aus der Straftat heraus entstandenen Ansprüche im Strafverfahren geltend zu machen und sich somit nicht nur zusätzliche Konfrontationen/Vernehmungen vor dem Zivilgericht zu ersparen, sondern sich auch den im Strafverfahren bestehenden Amtsermittlungsgrundsatz zunutze zu machen. Zudem ist das (Prozess-)Kostenrisiko im Strafverfahren wesentlich geringer als im Zivilverfahren. Neben weiteren Vorteilen des Adhäsionsverfahrens werden vom Autor zudem auch die Nachteile des Verfahrens, wie beispielsweise die Möglichkeit des Gerichts zu entscheiden, gerade nicht über den Adhäsionsantrag zu entscheiden, besprochen. Infolgedessen erhält der Leser eine gute Übersicht über die Voraussetzungen sowie die Vor- und Nachteile, um über das Ob und Wie eines solchen Antrages zu entscheiden.
Darüber hinaus beinhaltet das Werk auch eine Zusammenfassung über die Opferentschädigungen sowie über den Einfluss des Völker- und Unionsrechts auf die Prozessstellung des Verletzten.
Ferner befindet sich am Ende jeden Kapitels über die einzelnen Verfahrensarten ein Abschnitt zu den Kosten und der Finanzierung des jeweiligen Verfahrens. Auch die umfangreichen Verweise auf Rechtsprechung und Literatur zur Vertiefung einzelner Probleme sind sehr erfreulich.
Abgerundet wird das Werk schließlich mit dem Teil 13., der 20 Musterformulare zur Erleichterung der Mandatsbearbeitung beinhaltet.
Nach alledem handelt es sich um ein absolut empfehlenswertes Werk, welches eine gute und übersichtliche Hilfe bei der Bearbeitung von Mandaten im Bereich des Opferschutzes bietet und neben dem eher gängigen Nebenklageverfahren eben gerade auch die weiteren Möglichkeiten der Rechte von Opfern im Strafverfahren eingehend erläutert.