Ehmann / Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 1. Auflage, C.H. Beck 2017
Von Ass. iur. Dr. Malte Kröger, LL.M. (EHI / Florenz), Hamburg
Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) wird erst ab dem 25. Mai 2018 gelten, dennoch sind bereits zahlreiche Monographien und mehr als zehn deutschsprachige Kommentare erschienen oder ihr Erscheinen angekündigt. Zum Vergleich: Zur Vorgängerregelung, der EU-Datenschutzrichtlinie, sind gerade einmal zwei Kommentare veröffentlicht worden. Das zeigt zum einen das gestiegene Interesse am Datenschutzrecht, aber es ist zum anderen Ausweis der Entwicklung, dass vermehrt europäische Rechtsakte durch Kommentarliteratur begleitet werden. Mitherausgeber einer der damaligen Kommentare zur Datenschutzrichtlinie war Dr. Eugen Ehmann, der auch für diesen Kommentar zur DS-GVO als Herausgeber fungiert. Weiterer Herausgeber ist Prof. Dr. Martin Selmayr, Kabinettchef des Präsidenten der Europäischen Kommission, der auf Seiten der Kommission an den Verhandlungen zur DS-GVO beteiligt war.
Die 99 Artikel der DS-GVO wurden in einem für „Kurz-Kommentare“ nicht unüblichen Umfang von etwa 1.200 Seiten bearbeitet. Die Kommentierung befindet sich auf dem Stand Januar 2017, sodass es zumindest möglich war, den Vorschlag der Kommission zur ePrivacy-Verordnung zur Kenntnis zu nehmen. Die meisten Autoren des Kommentars sind in der Rechtsanwaltschaft, der Wissenschaft oder in staatlichen Institutionen tätig. Mit Jan Philipp Albrecht konnte zudem der prominenteste Vertreter des Europäischen Parlaments bei der Aushandlung der DS-GVO als Autor gewonnen werden. Zahlreiche Autoren sind für die Europäische Kommission tätig. Hier zeigt sich in der Auswahl der Autoren der Ansatz des Kommentars, ein „unmittelbar europäischer Kommentar“ (so die Herausgeber im Vorwort) sein zu wollen.
Vor der eigentlichen Kommentierung geben die Herausgeber einen Überblick über die Entwicklung des europäischen Datenschutzrechts und die Herausforderungen aufgrund von Digitalisierung und Vernetzung. Sie gehen auch auf die Frage ein, welche Spielräume den nationalen Gesetzgebern im Bereich der Gesetzgebung zum Datenschutzrecht zukünftig verbleiben und geben einen Ausblick auf die weitere Entwicklung des EU-Datenschutzrechts.
Dass die Kommentierungen der einzelnen Artikel in ihrem Aufbau weitgehend identisch strukturiert sind, hilft beim Zurechtfinden innerhalb des Kommentars. Für jeden Artikel werden Zweck und Bedeutung der Vorschrift erläutert sowie die Systematik innerhalb der DS-GVO aufgezeigt. Daran schließen sich die Einzelerläuterungen zu den jeweiligen Regelungen an.
Die Kommentierung eines grundlegend revidierten Rechtsakts wie der DS-GVO sieht sich der Herausforderung ausgesetzt, dass es nur vergleichsweise wenige Rechtsquellen gibt, die für die Kommentierung fruchtbar gemacht werden können. Dies gilt auf jeden Fall für all die Regelungen, die in der Datenschutzrichtlinie in dieser Form nicht enthalten waren wie beispielsweise das Recht auf Datenportabilität oder die Festschreibung von Grundsätzen wie Privacy by Design. Auch inwiefern die Gerichte ihre Rechtsprechung zum Datenschutzrecht beibehalten oder ändern werden, kann noch nicht anhand von Entscheidungen aufbereitet werden. Es stellt sich deshalb die berechtigte Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, zu diesem Zeitpunkt einen Kommentar zur DS-GVO zu veröffentlichen.
Diese Frage kann für den Kommentar Ehmann / Selmayr positiv beantwortet werden. Denn die meisten Autoren setzen eigene Impulse zur Auslegung und Fortbildung der DS-GVO. Dies ist für die rechtswissenschaftliche Diskussion zu begrüßen und einer der großen Pluspunkte dieses Kommentars. Beispielhaft sei nur auf die Kommentierung von Paul Nemitz zu Artikel 82 DS-GVO verwiesen. Die Norm regelt den Schadenersatzanspruch eines Betroffenen gegenüber dem Verantwortlichen und/oder dem Auftragsverarbeiter. In der Kommentierung werden weiterführende Fragen zur Einbettung dieser Vorschrift in das nationale Zivilprozessrecht aufgezeigt. Derartige Kommentierungen reichern die juristische Auseinandersetzung mit Fragen an, die gerade auch in der Praxis eine erhebliche Rolle spielen.
Insgesamt zeigt sich über nahezu den gesamten Kommentar eine eingehende Auseinandersetzung mit den Regelungen der DS-GVO. Für die Praxis eignet sich der Kommentar gut, da die Strukturierung der Kommentierungen ein Auffinden der einschlägigen Fragen erleichtert. Ferner ermöglicht es die kompakte und aufschlussreiche Kommentierung, sich auch komplizierteren Fragestellungen anzunähern. Dabei helfen auch die zahlreichen weiterführenden Verweise.