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Rezension: Das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers

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Koroch, Das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers, 1. Auflage, Mohr Siebeck 2016

Von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Wilfried J. Köhler, Köln


„Leistungsschutzrecht“ – ein Begriff, der sich Laien, aber auch Juristen nicht ohne weiteres erschließt, es sei denn, man steht dem Verlagswesen oder dem Urheberrecht nahe.

Beim „Leistungsschutzrecht“, welches in den §§ 87 f – h UrhG seit dem 1. August 2013 kodifiziert ist, geht es um den Schutz des Presseverlegers, der allein darüber entscheiden darf, ob sein Presseerzeugnis oder Teile davon öffentlich zugänglich gemacht werden. Zentrale Vorschrift des „Leistungsschutzrechtes“ ist § 87f Abs. 1 UrhG, welcher lautet: „Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.“

Die Änderung des UrhG in 2013 führte zu einigen Auseinandersetzungen, was nicht weiter verwundert, geht es doch um ganz erhebliche wirtschaftliche Vorteile – für die Betreiber von Internet-Suchmaschinen einerseits und die Presseverleger andererseits. Die Auseinandersetzungen werden auf beiden Seiten mit harten Bandagen geführt; beide Seiten positionieren sich öffentlich (vgl. einerseits http://vg-media.de/de/, eine Verwertungsgesellschaft der Verleger, und andererseits http://leistungsschutzrecht.info/, eine Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht, die von Google, Yahoo und anderen interessierten Kreisen unterstützt wird). Beide Seiten versuchen, wie nicht anderes zu erwarten, die Meinungsführerschaft zum Thema zu erlangen.

Zeitnah zu der Verabschiedung der Gesetzesänderung unternahm die Suchmaschinen-Betreiberin Yahoo (die ihren Suchmaschinenbetrieb später an Verizon veräußerte) den Versuch, die Änderung des UrhG durch eine Verfassungsbeschwerde auszuhebeln. In ihrer Verfassungsbeschwerde rügte Yahoo die Verletzung ihrer Rechte aus den Art. 5, 12 und 3 GG. Die Verfassungsbeschwerde wurde jedoch vom BVerfG nicht angenommen, weil der fachgerichtliche Rechtsweg vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde hätte beschritten werden müssen (Subsidiaritätsprinzip), BVerfG, Beschl. v. 10.10.2016 – 1 BvR 2136/14, NJW 2017, 147.

Mit einer Machtdemonstration versuchte auch Google, schon vor dem Inkrafttreten des Leistungsschutzrechts Druck auf die Printpresse auszuüben. Google schrieb zahlreiche Printmedienverlage an und bat um eine zustimmende Erklärung, dass in Google-News verlegerische Inhalte kostenfrei übernommen werden dürften. Als das keinen Erfolg zeigte, vertrat Google später, Ende September 2014, die Auffassung, Snippets (kurze Textausschnitte) und Vorschaubilder fielen nicht unter das Leistungsschutzrecht. Gleichzeitig kündigte Google an, auf die Wiedergabe von Snippets und Vorschaubildern von solchen Verlagen zu verzichten, die nicht mit der (kostenfreien) Wiedergabe einverstanden seien.

Eine Beschwerde von Verlagen beim Bundeskartellamt war ebenso erfolglos wie eine Klage vor dem Landgericht Berlin. Das Landgericht Berlin meinte, durch die Ankündigung, auf die Wiedergabe von Snippets und Vorschaubildern zu verzichten, wenn die Verlage nicht in diese Nutzung einwilligten, missbrauche Google nicht ihre marktbeherrschende Stellung (LG Berlin, Urt. v. 19.2.2016 – 92 O 5/14 Kart, AfP 2016, 365). Die Entscheidung des Landgerichts Berlin erscheint fragwürdig.

Deshalb ist der – allerdings auf einem anderen Feld erzielte – Erfolg der Verlegerverbände der Printmedien durchaus bemerkenswert. Der Zeitungsverlegerverband BDZV und der Zeitschriftverlegerverband VDZ hatten bereits 2009 bei der EU-Kommission Googles Marktmacht durch eine Beschwerde zum Thema gemacht. Die EU-Kommission hat nunmehr gegen Google wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung eine Geldbuße von 2,42 Mrd. EUR verhängt (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1784_de.htm). VDZ und BDZV begrüßten die Entscheidung der EU-Kommission, weil erstmalig eine Wettbewerbsbehörde klarstelle, „dass auch in der digitalen Welt solche Dienste, die für den Wettbewerb wesentlich sind, weil sie den Zugang zu bestimmten Verbrauchergruppen kontrollieren, ihre Leistungen diskriminierungsfrei erbringen müssen“ (http://www.vdz.de/nachricht/artikel/eu-verhaengt-rekordstrafe-gegen-google/).

In der Auseinandersetzung mit Google und anderen Internetsuchmaschinen über das Leistungsschutzrecht kommen die Verleger allerdings nicht zu einem schnellen Erfolg, wie eine weitere Klage der VG Media gegen Google vor dem Landgericht Berlin zeigt.

VG Media ist, wie schon erwähnt, eine Verwertungsgesellschaft, die die Interessen von Rechteinhabern, wie Verlegern und Fernseh- und Rundfunkanstalten, vertritt; Gesellschafter sind u.a. Handelsblatt, Axel Springer, DuMont Mediengruppe, Madsack usw.: http://vg-media.de/de/gesellschafter.html).

In der Klage wird Google u.a. in Anspruch genommen auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen der Nutzung von Textausschnitten, Bildern und Bewegtbildern. Das Verfahren ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die VG-Media und die von ihr vertretenen Rechteinhaber. Es geht um hohe Geldbeträge; VG Media begehrt nämlich ca. 6 % des Google-Suchmaschinenumsatzes (vgl. „Kampf um kleine Schnipsel“, Handelsblatt vom 6.2.2017, Seite 20 – sowie zum Umfang der im Raume stehenden und – verständlicher Weise zwischen den Parteien umstrittenen – Forderungen: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/leistungsschutzrecht-schiedsstelle-google-vg-media-a-1054641.htmlund http://www.zeit.de/digital/2015-09/presseverleger-google-leistungsschutzrecht). Milliarden-Beträge sind „im Spiel“.

Das Landgericht hat nunmehr dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese beziehen sich darauf, ob für den Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht das Notifizierungsverfahren gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34/EG vom 20.7.1998 hätte durchgeführt werden müssen. Die Richtlinie schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten Gesetzentwürfe der EU-Kommission vorlegen müssen, wenn diese "technische Vorschriften" enthalten, die speziell auf "Dienste der Informationsgesellschaft" zielen. Damit soll verhindert werden, dass ein Wust nationaler Regeln bei grenzüberschreitenden Onlinediensten einen europäischen Binnenmarkt unmöglich machen würde. Auf eine mögliche Pflicht zur Vorlage hatten Beamte des Bundesjustizministeriums schon im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen (vgl.: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/leistungsschutzrecht-beamte-warnten-bundesregierung-vor-blamage-a-1043053.html). Gleichwohl verzichtete die damalige Bundesregierung auf eine Vorlage und ließ den Bundestag über die Gesetzesänderung abstimmen.

In seiner Entscheidung (LG Berlin, EuGH-Vorlage v. 8.5.2017 – 16 O 546/15, GRUR Int 2017, 534) weist das Landgericht darauf hin, dass die Klage der VG Media zumindest teilweise begründet sei, die endgültige Entscheidung aber davon abhänge, ob ein Verstoß gegen die Notifizierungspflicht vorliege. Liege ein Verstoß vor, dürfe, so die Meinung des Landgerichts Berlin, die gesetzliche Regelung nicht angewendet werden. Die Klage wäre dann abzuweisen.

Bei einem solchen komplexen Spannungsfeld ist die Lektüre einer Dissertation, die sich vertieft mit dem gesetzlich geregelten Leistungsschutzrecht beschäftigt, sinnvoll und auch notwendig, um eine festere Grundlage für die eigene Meinung zu finden.

Stefan Korochs Dissertation Leistungsschutzrecht des Presseverlegers, die im Wintersemester 2015/2016 von der juristischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn angenommen wurde, ist für die Meinungsbildung über die Bewertung des Leistungsschutzrechts und für die Einordnung der Auseinandersetzungen zwischen den Printmedienverlegern und den fast übermächtigen Internetgiganten eine solche wichtige Grundlage. Jedem, der sich mit dem Leistungsschutzrecht beschäftigt, insbesondere den an den Rechtsstreiten beteiligten Juristen und den Justiziaren der Verlegerbranche, ist dieses Werk zur Lektüre zu empfehlen. Es bietet eine Vielzahl von Argumentationshilfen und auch Hinweise darauf, wo eigene Argumente und Positionen in der Diskussion vielleicht doch nicht so tragkräftig sind, wie bisher eingeschätzt.

Bei der Notifizierungsproblematik kommt Stefan Koroch in seiner Untersuchung zu einer anderen Schlussfolgerung als das Landgericht Berlin. Er überzeugt mit dem Ergebnis, dass es sich bei §§ 87f ff UrhG nicht im „technische Vorschriften“im Sinne der Richtlinie 98/34/EG handelt und deshalb auch keine Notifizierungpflicht bestanden hat (Seiten 245 – 249). Aufgrund der Richtlinie 2006/116/EG (Schutzdauer-Richtlinie) habe zwar eine Mitteilungspflicht bestanden, der Verstoß dagegen führe jedoch nicht zur Unwirksamkeit der §§ 87f ff UrhG, sondern könnte nur ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich ziehen. Das Landgericht Berlin hat diese Richtlinie, zu Recht, nicht in seine Überlegungen einbezogen.

Es wird interessant sein, wie der EuGH die vom Landgericht Berlin aufgeworfenen Fragen nunmehr beantworten wird.

Koroch stellt in seinem ersten Kapitel kurz, jedoch sehr prägnant die historischen Ansätze eines Leistungsschutzrechts im 19. und 20. Jahrhundert dar. Überraschend ist die durch die Lektüre der Dissertation gewonnene Erkenntnis, dass „Leistungsschutzrecht“ seinen Ursprung in einem Schutz von Nachrichtensammlern hatte, die davor bewahrt werden sollten, dass „konkurrierende Zeitungen die mit Aufwand und Kosten erlangten Nachrichten nachdruckten, ohne dafür selbst eine Leistung erbringen zu müssen“ (Koroch, Seite 17).

Im zweiten Kapitel, dem umfangreichsten des Werks, widmet sich Koroch der Untersuchung der §§ 87f-h UrhG. Der „legislatorische Entstehungsprozess“ der Gesetzesänderung wird kurz behandelt, wobei für die Entstehungsgeschichte auf eine andere Darstellung von Buschow, Strategische Institutionalisierung durch Medienorganisationen – Der Fall des Leistungsschutzrechts, verwiesen wird.

Die Zeit vor dem Koalitionsvertrag von 2009 zwischen den damaligen Regierungsparteien CDU, CSU und FDP ist durchaus interessant; es kann hier erwähnt werden, dass die beiden Spitzenverbände der Printmedien, BDZV und VDZ, durch ihre Lobbyarbeit ganz wesentlich zu der Entwicklung eines Leistungsschutz-Gedankens und zu dem späteren Gesetzeswortlaut beigetragen haben. Hintergrund für deren Initiative und Einflussnahme waren – nicht nur, aber auch – die ganz erheblichen Rückgänge bei den Werbeeinnahmen und den Auflagenzahlen, die die Printmedien aufgrund der Substituierung der Printmedien durch Internetmedien zu verzeichnen hatten.

Im Kapitel 2 behandelt Koroch den Schutzzweck des Presseverlegerschutzrechtsund kommt bei der Frage nach dem Schutzbedürfnis des Presseverlegers im Hinblick auf mögliche Substituierungsvorgänge der Suchmaschinen zu dem Zwischenergebnis, dass diese im Wesentlichen keine substituierende, sondern eine komplementäre Beziehung zu Presseportalen aufweisen (Seite 45). Dieses (Zwischen-)Ergebnis werden die Vertreter der Printmedien sicher nicht teilen wollen.

Ebenfalls Widerspruch wird das weitere Zwischenergebnis von Koroch bei den Printmedien ernten, der Schutz von Investitionen der Presseverleger erscheine äußerst fragwürdig(Seite 58).

Bei diesen Zwischenergebnissen überrascht die Ansicht von Koroch nicht mehr, ein neu entstandenes Schutzbedürfnis für die Einführung des Leistungsschutzrechts habe nicht nachgewiesen werden können (Seite 58 f).

Ausführlich beschäftigt sich Koroch auch mit dem Schutzgegenstand des Leistungsschutzrechts (der spezifischen Leistung des Presseverlegers), den Schutzvoraussetzungen, dem Schutzrechtsinhaber und dem Schutzumfang. Die Konformität mit höherrangigem Recht (Koroch, Seite 195 – 255) wurde bereits oben angesprochen; neben den unionsrechtlichen Bezügen befasst sich Korochauch mit der verfassungsrechtlichen Konformität und kommt zu dem – die Printmedien beruhigenden – Ergebnis, dass das Leistungsschutzrecht grundgesetzkonform ist (Seite 233). Allerdings macht Koroch dort auch die nicht ganz überzeugende Einschränkung, dass das Gesetz unter der auflösenden Bedingung der Ungeeignetheit stehe. Wenn sich, so Koroch(Seite 233), im Verlauf der weiteren Entwicklungen zeigen [sollte], dass das Recht sein Ziel nicht zu erreichen vermag, resultierten daraus Zweifel an der Geeignetheit und damit an der Verfassungskonformität des Schutzrechts an sich.

„Zielerreichung“ ist stets eine Frage der Marktmacht und mit dem Verhalten der Marktteilnehmer, insbesondere der durchaus mächtigen Internetindustrie (nämlich Google und Co), verbunden. Daraus kann wohl kaum auf die ursprüngliche Geeignetheit eines Gesetzes geschlossen werden.

Die Dissertation von Koroch schließt ab mit der Betrachtung anderer europäischer Schutzregelungen, nämlich in Großbritannien, Spanien und Österreich. Ein solcher Blick über den bundesdeutschen „Tellerrand“ ist wichtig und nützlich, weil damit auch der Blick auf mögliche andere Schutzkonzepte geöffnet wird.

Eine insgesamt interessante und für die Medienwirtschaft wichtige Dissertation, bei der ich mir wünsche, dass sie irgendwann einmal eine Fortsetzung in Form einer überarbeiteten und erweiterten Fassung erfährt. Eine Entscheidung über ein solche „Fortsetzung“ werden Verlag und Verfasser aber wohl erst dann treffen wollen, wenn die europäischen Fragen geklärt sind. 
schließt ab mit der Betrachtung anderer europäischer Schutzregelungen, nämlich in Großbritannien, Spanien und Österreich. Ein solcher Blick über den bundesdeutschen „Tellerrand“ ist wichtig und nützlich, weil damit auch der Blick auf mögliche andere Schutzkonzepte geöffnet wird.
schließt ab mit der Betrachtung anderer europäischer Schutzregelungen, nämlich in Großbritannien, Spanien und Österreich. Ein solcher Blick über den bundesdeutschen „Tellerrand“ ist wichtig und nützlich, weil damit auch der Blick auf mögliche andere Schutzkonzepte geöffnet wird.

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