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Rezension: Medienrecht

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Beater, Medienrecht, 2. Auflage, Mohr Siebeck 2016

Von RA Dr. Tobias Hermann, Hamburg



Fast 10 Jahre ist es her, seit die Erstauflage dieses Werkes erschienen ist – das sind im Medienrecht Welten. Höchste Zeit also für eine Neuauflage in der Reihe „Lehrbuch des Privatrechts“, was den fachlichen Präferenzen des Autors entspricht. Das Werk geht jedoch mit dem Rundfunkrecht auch auf öffentlich-rechtliche Bereiche ein. Beater hat dabei große Teile der Vorauflage nicht nur auf den neuesten Stand gebracht, sondern teilweise auch komplett neu gefasst. Unverändert geblieben ist der Ansatz des Autors, das Medienrecht als einheitliches Rechtsgebiet darzustellen, bei dem Presse (§ 3), Rundfunk (§ 4), und Telemedien (§ 5) stets eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen (§ 1). § 6 stellt den Bereich privater Schutzrechte dar. Weitere Teile des Buches betreffen die Themen Medienunternehmen (III. Teil), Information der Öffentlichkeit (IV. Teil), Beschaffung und Prüfung von Informationen (V. Teil), Zutreffende Informationen (VI. Teil), Unrichtige und inhaltlich unzulässige Informationen (VII. Teil) sowie Ansprüche, Aufsicht und Sanktionen (VIII. Teil). Im Rahmen der Darstellung der zutreffenden Informationen findet sich auch eine komprimierte Darstellung der Verdachts-, Straf- und Gerichtsberichterstattung (D.). Die Themen „Schmähung“ (C.) und „Satire“ (D.) finden sich im VII. Teil im Rahmen der Unrichtigen und inhaltlich unzulässigen Informationen, wobei das aktuelle Thema „Schmähgedicht“ erst nach Redaktionsschluss aufgetreten ist (siehe dazu: Klass, AfP 2016, 477 ff.). Das Stichwortverzeichnis ist sehr ausführlich und auch das abschließende Entscheidungsverzeichnis verdient eine besondere Erwähnung, wenn dort auch vereinzelt wichtige Entscheidungen fehlen. Die jeweiligen Entscheidungen sind dabei im Text im Fettdruck hervorgehoben und in verständlicher Form dargestellt. Bereichernd ist dabei eine klare Einschätzung der jeweiligen Entscheidungen durch den Autor. Ohnehin zeichnet sich der Verfasser durch seine durchweg klare und verständliche Diktion aus und verzichtet auf die typischen professoralen „Schnörkel“, wodurch die Lesbarkeit deutlich erleichtert wird.

Bei dieser übergreifenden Darstellung des Medienrechts liegt es in der Natur der Sache, dass der Autor nicht auf alle Themen eingehen kann. Dennoch ist es im Hinblick auf seine praktische Relevanz schon verwunderlich, dass der Bereich der Verletzung kommerzieller Persönlichkeitsinteressen im VIII. Teil in lediglich fünf Randnummern abgehandelt wird (Rn. 2150-2154). Dabei lässt Beater leider die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit von Wirtschaftswerbung als Form der satirisch-spöttischen Meinungsäußerung unberücksichtigt. Der BGH hat bekanntlich entschieden, dass Wirtschaftswerbung mit einem meinungsbildenden „satirisch-spöttischen“ Inhalt von Art. 5 I GG geschützt sei und das kommerzielle Persönlichkeitsrecht der Zulässigkeit nicht entgegenstehe und überhaupt nicht verfassungsrechtlich geschützt sei (BGH NJW 2007, 689-691 – Rücktritt des Finanzministers; kritisch: Verfasser, Der Werbewert der Prominenz – Vermögensrechtliche Ansprüche bei Zwangskommerzialisierung insbesondere von Politikern, 2012). Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wie Beater diese umstrittene Entscheidung des BGH einordnet. Leider verzichtet er hier auf eine persönliche Einordnung der Entscheidung. Stattdessen findet sich an dieser Stelle in Rn. 2151 nur ein Hinweis auf die Marlene Dietrich-Entscheidung.

Diese Darstellung bringt deutlich zum Ausdruck, dass dem Bereich des kommerziellen Persönlichkeitsrechts bislang leider noch viel zu wenig Bedeutung beigemessen wird.

Dem entspricht die Negierung eines Schutzes auf verfassungsrechtlicher Ebene über Art. 2 I, 1 I oder Art. 14 GG durch die bislang h.M. (kritisch dazu: Verfasser, Der Werbewert der Prominenz – Vermögensrechtliche Ansprüche bei Zwangskommerzialisierung insbesondere von Politikern, S. 194 ff.). Die Reduzierung des Persönlichkeitsrechts auf ein rein ideelles Abwehrrecht durch die bislang h.M. ist jedoch fragwürdig und wird der Bedeutung in der Rechtsrealität nicht gerecht.

Der Bereich der medienzivilrechtlichen Ersatz- und Entschädigungsansprüche Ansprüche ist in § 25 sehr kurz geraten – so wird die Geldentschädigung auf knapp 5 Seiten am Ende des Werkes abgehandelt. Leider verzichtet Beater in Rn. 2166 auf eine Einordnung der überaus umstrittenen Entscheidung des BGH zur angeblichen Nicht-Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung (BGH Urteil vom 29.04.2014, VI ZR 246/12 unter Hinweis darauf, dass Tote keine Genugtuung mehr erlangen könnten). Diese Entscheidung ist in der Literatur zu Recht durchweg sehr kritisch kommentiert worden (siehe nur Beuthien, GRUR 2014, 957-960 unter Verweis auf die Ungleichbehandlung mit dem vererblichen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Körperverletzungen oder Hager, JA 2014, 627-629). Der BGH hat bei seiner Entscheidung nämlich nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Anspruchsteller im Zeitpunkt der Klageerhebung noch lebte und der Anspruch nicht allein deshalb entfallen kann, weil er einen Tag nach Klageerhebung verstirbt.


Fazit: Für EUR 109,- bekommt der Käufer auf 841 Seiten eine profunde Darstellung der systematischen Verknüpfungen und Inhalte des Medienrechts, die insbesondere Leser aus dem wissenschaftlichen Bereich ansprechen dürfte. Der Aufbau des Buches erschließt sich dabei zum Teil erst auf den zweiten Blick – z.B. der Zusammenhang im VIII. Teil zwischen Ansprüchen einerseits und Aufsicht und Sanktionen andererseits. Wichtige Themen, die mit den Ansprüchen unmittelbar zusammenhängen, finden sich an anderer Stelle, z.B. im VI. und VII. Teil zum Inhalt der Information als zutreffend oder unrichtig.  Dieser etwas gewöhnungsbedürftige Aufbau des Werkes soll den durchweg überzeugenden Inhalt der Darstellung aber in keiner Weise schmälern. An manchen Stellen würde eine kurze Einschätzung des Autors zur jeweiligen Entscheidung das Bild noch abrunden.

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