Kaiser / Holleck / Hadeler, Materielles Strafrecht im Assessorexamen, 3. Auflage, Vahlen 2016
Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Dortmund
In mittlerweile 3. Auflage haben die beiden Autoren Holleck und Hadeler nun den vorliegenden Überblick über das materielle Strafrecht im Assessorexamen verfasst. Es handelt sich hierbei um ein fast dreihundert Seiten starkes Skript, dass maßgeblich auf der Skriptenkonzeption der bekannten „Kaiserseminare“ fußt. So ist schon das DIN A4 Format mit einem breiten Rand für Notizen ein deutliches Zeichen, dass eher ein ausgearbeitetes Skript vorliegt, als ein juristisches Lehrbuch im herkömmlichen Sinne. Bestätigt wird dieser erste Eindruck auch durch die Aufmachung der Texte. Es finden sich zahlreiche grau hinterlegte Kästchen im Text, die auf besondere Probleme hinweisen und eingeleitet werden durch Worte wie „Beachte“, „Merke“ oder „Klausurtipp“. Auch das eher übersichtliche Literaturverzeichnis, dass mit lediglich drei Nachweisen auskommt (S. XVII) weist klar darauf hin, dass die Konzeption des Buches gerade nicht dahin geht, als Arbeitsmittel mit wissenschaftlichem Anspruch gelten zu wollen, sondern vielmehr das Lernen des Lesers in den Vordergrund stellt. Entsprechend sparsam sind Literatur und Rechtsprechungsnachweise in den Fußnoten angebracht. In der Regel werden die Standardkommentare von Meyer-Goßner/Schmitt und Fischer bzw. die Rechtsprechung des BGH zitiert. Angesichts des Buchzuschnitts ist dies überhaupt nicht zu beanstanden.
Das Buch bietet natürlich, wie es auch in dem Titel angibt einen Überblick über das gesamte materielle Strafrecht, soweit es üblicherweise Gegenstand von Examensarbeiten ist. Die Autoren haben hierzu laufend Examensklausuren ausgewertet, um eine richtige Schwerpunktsetzung für ihr Buch zu finden. Natürlich wird – wie im materiellen Strafrecht üblich – zwischen Allgemeinem Teil (= Teil 1) und Besonderem Teil des StGB (= Teil 2) unterschieden. Die ersten 65 Seiten sind so den allgemeinen Fragen des Strafrechts gewidmet. Es finden sich erwartungsgemäß Ausführungen zu Täterschaft und Teilnahme, Versuch und Rücktritt, zu Fahrlässigkeitsdelikten, Unterlassungsdelikten, erfolgsqualifizierten Delikten Rechtfertigung-und Entschuldigungsgründen und natürlich auch zu Irrtümern und Konkurrenzfragen.
Die Darstellung ist freilich gedrängt. Meinungsstreitigkeiten werden anders als in Lehrbüchern des Studiums nicht ausführlich dargestellt, sondern als weitgehend bekannt vorausgesetzt. So findet sich etwa im Bereich der Irrtümer glücklicherweise nicht die gesamte Meinungsvielfalt, wie sie zum Erlaubnistatbestandsirrtum vertreten wurde bzw. vertreten wird. Bekanntermaßen ist die Problematik in der Praxis nahezu ohne Relevanz. Vielmehr zeigen die Autoren grundsätzlich das Problem des Erlaubnistatbestandsirrtums auf, grenzen diesen von anderen Irrtümern ab und zeigen dabei die Falllösung anhand der BGH-Rechtsprechung auf. Aktuelle Rechtsprechung wird berücksichtigt, so der berühmte „Hell`s Angels“-Fall (BGH NStZ 2012, 272). Ähnlich wird an anderen Stellen im allgemeinen Teil vorgegangen. Hierzu bedienen sich die Autoren zahlreicher Beispiele, die sie grafisch hervorgehoben haben, so etwa im Bereich der Prüfung der Fahrlässigkeitsdelikte (S. 22-27). Hier lassen sich allein 10 Beispiele üblicher Fahrlässigkeitsprobleme, wie sie in der Praxis anzutreffen sind finden.
Hilfreich im Rahmen der Erörterungen zum Allgemeinen Teil ist auch ein ausführliches Prüfungsschema zur Behandlung der Konkurrenzen (S. 61), die erfahrungsgemäß in der Ausbildung immer wieder Schwierigkeiten machen. Natürlich wird empfohlen, zunächst zu prüfen, ob Handlungseinheit nach üblichen Kriterien vorliegt. Im zweiten Prüfungsschritt soll gefragt werden, ob eine so genannte unechte Konkurrenz, also eine Gesetzeskonkurrenz vorliegt. Stichworte sind hier bekanntermaßen Spezialität, Subsidiarität, Konsumtion, mitbestrafte Vortat und mitbestrafte Nachtat. Für einen dritten Prüfungsschritt schlagen die Autoren vor, dann noch verbliebene Delikte jeweils in das Verhältnis von Tateinheit und Tatmehrheit zu setzen. Sinnvollerweise stellen die Autoren dieses Prüfungsschema an sich und auch nachfolgend die genutzten Begrifflichkeiten ausführlich dar. Schließlich geben sie auch Beispiele dafür, wie das Schema angewendet werden kann.
Schwerpunkt des Buches ist natürlich der Besondere Teil. Hier sind die Autoren auch intern noch einmal schwerpunktmäßig vorgegangen. Sie haben die klausurrelevanten Probleme nach vorne gestellt und als letzte Deliktsgruppe auf etwa 80 Seiten die sonstigen Delikte aufgenommen. Hier finden sich dann z.B. Sachbeschädigungs-, Urkunds- und Beleidigungsdelikte.
Besonders ausführlich werden dagegen die für Klausuren typischerweise wichtigen Deliktsgruppen dargestellt, so etwa die Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Im Anschluss finden sich Eigentums-und Vermögensdelikte, dann Raub und raubähnliche Delikte und schließlich die Straßenverkehrsdelikte. Auch hier verlieren sich die Autoren nicht jeweils in langatmigen dogmatischen Ausführungen, sondern versuchen, den Leser unmittelbar auf das Problem der jeweiligen Vorschrift hinzuweisen. Ein schönes Beispiel hierfür sind etwa die Ausführungen zum Betrug, die sich zwischen Seite 109 und 126 finden. Im Großen und Ganzen finden sich hier viele Themen, die den Lesern bereits aus dem ersten Staatsexamen bekannt sind. Wie schon in anderen Bereichen wurde auch hier jedoch auf die Darstellung von Mindermeinungen verzichtet. Vielmehr geht das Buch vornehmlich anhand der BGH-Rechtsprechung vor und zeigt dem Leser auf, wie in der Praxis übliche Fallkonstellationen bearbeitet werden. Dies macht durchaus Sinn, da auch die Prüfer im zweiten Staatsexamen bekanntermaßen aus der Praxis kommen, zwar die Meinungsstreitigkeiten kennen, jedoch auch ihre praktische Relevanz für sich gut einschätzen können. Im Rahmen des Betruges werden so etwa bloße Werturteile und Meinungsäußerungen von einer echten Täuschungshandlung abgegrenzt. Das Problem von „Ping-Anrufen“ wird etwa dargestellt und auch Fragen rund um den Gebrauchtwagenkauf. Natürlich fehlt auch nicht die überhöhte Wechselgeldrückgabe, ein Klassiker juristischer Klausuren und Prüfungen. Die praxisrelevante Frage des Umgangs mit Zweifeln des Geschädigten an der Richtigkeit erklärter Tatsachen wird ebenso erörtert, wie die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Sachbetrug. Natürlich darf auch der Dreiecksbetrug der Besitzbetrug oder Fragen illegaler Geschäfte im Rahmen eines Betruges nicht fehlen. Schließlich finden sich noch die schadensgleichen Vermögensgefährdungen mit den üblichen Problemfällen, wie etwa dem so genannten persönlichen Schadenseinschlag. Für alle Fragen werden ausführliche Beispiele, in der Regel unterfüttert mit Rechtsprechungsnachweisen, angeführt. Ebenso gut gefallen die Darstellungen der Straßenverkehrsdelikte, so etwa des § 315c StGB. Hier wird ausgehend von der Tatbestandsstruktur jedes Problem des § 315c StGB beleuchtet. In diesem Rahmen werden auch Fragen rund um die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit dargestellt. Zu Recht: Bekanntermaßen wird auch von Referendaren Basiswissen zur Alkoholwirkung, dem Alkoholabbau und der Ermittlung der Tatzeitblutalkoholkonzentration gefordert. Hierzu finden sich ausführliche Darstellungen auf S. 168.
In ähnlicher Art und Weise werden alle weiteren Delikte erörtert. Für Referendare ist das Buch dementsprechend nicht nur zu unmittelbaren Examensvorbereitung geeignet, sondern auch als Nachschlagewerk im Rahmen einer Sitzungsvorbereitung oder sogar in der Sitzung als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft. Hierfür ist auch sehr hilfreich, dass das 9-seitige Stichwortverzeichnis sehr gut gepflegt ist. Natürlich findet sich auch zu Beginn des Buches ein Inhaltsverzeichnis, das einen schnellen Überblick über den Inhalt, also insbesondere über die einzelnen dargestellten Delikte gibt. Das Buch kann so uneingeschränkt jedem Referendar ans Herz gelegt werden, der bei einer Stoffwiederholung und Examensvorbereitung nicht auf stapelweise Lehrbuchliteratur aus dem Studium setzen will, sondern einen praxisnahen Überblick über alle examensrelevanten Fragen bekommen möchte. Dabei ist auch zu bedenken, dass der Ladenpreis von nur 24,90 € für ein derartiges Buch sehr moderat erscheint.