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Rezension: Strafrecht Besonderer Teil II

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Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 17. Auflage, C.H. Beck

Von stud. iur. Maren Wöbbeking, Göttingen



Wie auch sein Pendant zu den Vermögensdelikten ist 2016 die nun bereits 17. Auflage von Rudolf Rengiers Lehrbuch zum Strafrecht „Besonderer Teil II - Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit“ erschienen und beweist hierdurch einmal mehr die Beliebtheit von Rengiers „Strafrecht-Trilogie“.

Mit 565 Seiten und damit vergleichbar umfangreich wie Rengiers Lehrbuch zum AT, behandelt es alle relevanten Delikte, deren Schutzgut im weiteren Rahmen Personen oder die Allgemeinheit betrifft. Namentlich liegt der Schwerpunkt auf den sehr prüfungsrelevanten Bereichen der Tötungs- und Körperverletzungs- sowie Straßenverkehrsdelikten. Aber auch weniger beliebte und zum Teil nicht überall prüfungsrelevante Delikte, wie die Brandstiftung oder Gefangenenbefreiung werden besprochen.

Dieser dargelegte Stoffumfang stellt dabei meines Erachtens den größten Vorteil des vorgestellten Lehrbuchs dar. So werden sämtliche für das Studium im Strafrecht notwendigen Streitstände und Einzelproblematiken von Rengier in gebotener Länge dargestellt.

Die sich hinsichtlich der Gewichtungen einzelner Streitigkeiten oder Meinungen zum Teil ergebenden Abweichungen zu vergleichbaren Lehrbüchern, wie beispielsweise dem von Jäger, sind der sehr „streitfreudigen“ Materie des Strafrechts geschuldet und daher auch kaum vermeidbar. Das vorliegende Lehrbuch darf hinsichtlich der behandelten Themen dennoch als so umfassend betrachtet werden, dass die Heranziehung weiterer Lehrbücher oder Kommentare zur allgemeinen Erarbeitung zwar sicherlich hilfreich aber eben nicht zwingend notwendig ist.

Rengier hält sich zudem in seinen eigenen Ansichten in der Regel bei dem, was man wohl als herrschende Meinung der Literatur oder „herrschende Lehre“ ansehen kann. Jedenfalls sind seine Ansichten meist gut vertretbar, was für Studenten durchaus eine gewisse Sicherheit bietet.

Generell wäre hinsichtlich der benannten „Streitfreude“ im Strafrecht jedoch eine strukturell differenzierte Darstellung von Meinungsstreitigkeiten wünschenswert als sie hier erfolgt. So finden sich hinsichtlich der einzelnen Delikte jeweils Aufbauschemata, anhand derer die im Anschluss dargelegten Voraussetzungen sehr übersichtlich eingeordnet werden können. Dies ist bei Meinungsstreitigkeiten jedoch leider gerade nicht der Fall. Vielmehr werden diese zumeist in einem Fließtext abgehandelt und dabei vor allem mit zahlreichen Beispielen und Belegen bespickt.

Exemplarisch können hier die Ausführungen zur Abgrenzung und Behandlung der Selbstgefährdung und einverständlichen Fremdgefährdung genannt werden. Dabei werden über sieben Seiten die verschiedenen Ansichten ausführlich dargestellt und auch Besonderheiten hinsichtlich der Behandlung zum Beispiel bei § 222 StGB und § 229 StGB angeführt. Wenngleich sich auf diesen Seiten auch tatsächlich alle relevanten Informationen zur Bearbeitung einer solchen Abgrenzung in einem Fall und sogar ein kurzer Hinweis zur Fallbearbeitung finden, mangelt es dennoch an einer gewissen Übersichtlichkeit. Manche Voraussetzungen werden zum Beispiel nicht abstrakt, sondern ausschließlich kleingedruckt und fallbezogen innerhalb von Beispielen genannt. Der Leser kann sich folglich nicht ohne weiteres in einen generellen Rahmen einordnen.

Allgemein lässt sich die bewusste Fallorientierung des Lehrbuchs, sprich die Vielzahl an Beispielen und Rechtsprechungshinweisen durchaus kritisch sehen. Wenngleich Rengier hiermit der von Studenten häufig gehegten Angst, das neueste BGH Urteil nicht zu kennen zwar sehr entgegenkommt, so verstellt er für meinen Geschmack dadurch manchmal den Blick für das Wesentliche. Insbesondere eine Orientierung am „Normalfall“, wie sie beispielsweise von Fritjof Haft vertreten wird, ist angesichts der häufig allzu fallbezogenen Darstellungen schwierig. Viel gewonnen wäre bereits, wenn die über 90 problembezogenen Fälle zumindest einheitlich verortet würden. So stellt Rengier jeweils pro Delikt einige Kurzfälle voran um dann über mehrere Seiten verteilt ihre Lösung zu präsentieren, während er andere jeweils an entsprechender Stelle direkt erörtert.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Rengier Besonderer Teil II als Gesamtwerk mit den anderen beiden Lehrbüchern aus der gleichen Reihe zu sehen ist. Aufgrund der genauen Abstimmung dieser drei ist eine autonome Nutzung nicht wirklich möglich. Beispielsweise sind fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung auf insgesamt anderthalb Seiten und dem Hinweis auf das Lehrbuch zum Allgemeinen Teil abgehandelt. Andererseits stellen die drei Bücher zusammen eine in sich gut durchdachte Einheit dar.

Im Ergebnis vermag Rengier daher meiner Meinung nach vor allem durch den umfassenden Inhalt und die vertretbaren Ansichten zu überzeugen. Studenten können und dürfen sich daher auf dieses Lehrbuch, insbesondere in Kombination mit den beiden dazugehörigen Lehrbüchern, inhaltlich im Examen verlassen. Darüber hinaus ist es vor allem empfehlenswert für Studenten, die gerne sehr fallbezogen lernen und bereit sind hinsichtlich der abstrakten Übersichtlichkeit einige Abstriche zu machen.



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