Müller-Dietz, Recht und Kriminalität in literarischen Brechungen, De Gruyter 2016
Von Dr. jur. Michael Höhne, Frankfurt am Main
Die Beziehung von Recht und Literatur lässt sich sicherlich aus sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Besonders interessant scheint dabei der Blick, der durch eine konkrete Fachkenntnis zumindest einer der behandelten Materien geprägt ist. Daher verwundert es nicht, dass es Betrachtungen sowohl aus Sicht von Literaten und Literaturwissenschaftlern als auch von Rechtswissenschaftlern gibt (näher zu den Rechtswissenschaftlern etwa Pieroth, Recht und Literatur, C.H. Beck 2015, IX ff. [Einleitung]).
Unter den Rechtswissenschaftlern kommt Heinz Müller-Dietzdabei eine hervorgehobene Stellung zu. Seit Jahrzehnten veröffentlicht er regelmäßig Abhandlungen über Recht und Literatur. Als (nunmehr ehemaliger) Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafvollzug und Kriminologie beschäftigte er sich dabei häufig konkret mit den Beziehungen von Literatur und Kriminalität. Recht und Kriminalität erscheint dabei in den Aufsatzsammlungen in/im literarischen Widerschein („Recht und Kriminalität im literarischen Widerschein“, Nomos 1999), Spiegelungen („Recht und Kriminalität in literarischen Spiegelungen“, Berliner Wiss.-Verl. 2010) und nunmehr Brechungen („Recht und Kriminalität in literarischen Brechungen“, De Gruyter 2016). Hinzu tritt ein weiteres Buch über das Verhältnis von Literatur und Recht („Grenzüberschreitungen“, Nomos 1990). Die Fokussierung auf Kriminalität ist naturgemäß auch dem Umstand geschuldet, dass Kriminalität in belletristischen (und auch filmischen) Werken häufiger im Vordergrund steht als etwa ein Vertragsschluss oder die Feinheiten der Vorschriften über die Scheidung einer Ehe.
Wie auch schon in den anderen genannten Sammelbänden werden auch im hiesigen Buch teilweise allgemeine Themen behandelt (z.B. „Zum Bild des Strafverteidigers in der modernen Literatur“, S. 99 ff.) und teilweise werden bestimmte Bücher („Der zerbrochene Krug“, S. 159 ff., „Bahnwärter Thiel“, S. 203 ff., „Der Prozeß“, S. 217 ff., und „Corpus Delicti“, S. 235 ff.) oder Autoren (Georg Christoph Lichtenberg, S. 137 ff., und Heinrich von Kleist, S. 189 ff.) als Grundlage einer Untersuchung herangezogen.
Allein dieser Streifzug durch verschiedene Epochen verdeutlicht einen Wermutstropfen, der jedoch jeder Aufsatzsammlung und auch vielen Sammelbänden immanent ist: Der innere Zusammenhang ist sicherlich durch die thematische Eingrenzung gewahrt; gleichwohl bauen die Kapitel nicht inhaltlich aufeinander auf. Der Leser kann die Abhandlungen weitgehend unabhängig voneinander wahrnehmen.
Die Anschaffung des Sammelbandes lohnt sicherlich schon, da die ursprünglichen Quellen nicht für jedermann leicht zugänglich sind. Die zwölf Abhandlungen sind weitgehend in Festschriften für andere Rechtswissenschaftler erschienen und wurden (offenbar) unverändert übernommen. Die gängigen einleitenden Worte, die Festschriftbeiträge in Verbindung mit der jeweils gefeierten Person bringen, wirken in der Aufsatzsammlung etwas fehl am Platz, da sie zumeist für das Verständnis des Beitrags nicht von großer Relevanz sind. Dem Lesevergnügen tut dies jedoch keinen Abbruch.
Alle im Buch beinhalteten Beiträge, die erstmals in den Jahren 2007 bis 2014 erschienen sind, können überzeugen und sind sehr reizvoll. Mit klarer, verständlicher Sprache behandelt Müller-Dietz viele interessante Themenkomplexe und bereitet sie aufschlussreich und ansprechend auf. Das Buch ist damit nicht nur für literaturinteressierte Juristen zu empfehlen.