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Rezension: Die Entwicklung des europäischen Vertragsrechts

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Fischer, Die Entwicklung des europäischen Vertragsrechts, 2. Auflage, Nomos 2016

Von Richterin Christiane Warmbein, Ulm



Europa ist überall – in unserem Alltag, unserem Urlaub und in unserem Recht. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen, im Zuge derer wir uns von einem Kontinent im Weltkrieg hin zu einer immer engeren Union entwickelt haben, die trotz aller kultureller und rechtlicher Diversität auch immer mehr gemeinsame Identität, Tradition und auch Recht kennt.

Angesichts der ursprünglichen Konzeption der Union als Wirtschaftsunion mit dem Ziel der Schaffung eines grenzenlosen Binnenmarktes verwundert es wenig, dass das private Vertragsrecht als das den Wirtschaftsverkehr bestimmende Recht immer weiter durch europäische Einflüsse geprägt ist. Gerade in den letzten 25 Jahren hat sich durch vielfältige Richtlinienharmonisierung eine immer weitere Angleichung ergeben, so vor allem in verbraucherschutzsensiblen Bereichen wie beispielsweise der Produkthaftung, bei Haustürgeschäften und Reiseverträgen. Auch in vertragsrechtlich heikleren Bereichen wie dem Kaufrecht oder dem Versicherungsvertragsrecht sind jüngst Harmonisierungsbemühungen unternommen worden, die einerseits von steigender Intensität, andererseits auch von Misserfolgen geprägt waren.

Doch woher kommt diese Einigkeitsbewegung? Welche Erwägungen lagen ihr zugrunde? Wer die Antworten auf diese Fragen kennt, wird vielleicht ein wenig besser verstehen, warum der Einigungsprozess so langwierig, politisch und rechtlich so komplex und auch bei Weitem nicht immer eine lineare Bewegung hin auf das Ziel der Wirtschafts- und Rechtsunion ist. Diese Entwicklung nachvollziehbar zu machen ist Anliegen des Autors. Das Werk ist Abschluss einer Reihe, die die europäische Rechtsgeschichte der letzten 55 Jahre vollständig umfasst.

In dem Band stellt der Autor die Verhandlungen zu den Gründungsverträgen und ihren nachträglichen Änderungen im jeweiligen historischen Kontext und den jeweils aktuellen politischen Bedingungen dar. Hierdurch gibt er dem Leser die Möglichkeit, ein tieferes Verständnis der Hintergründe der Genese der Verträge zu erlangen. Sodann wird jede EU-Politik in ihrer gesamten bisherigen Entwicklung im Einzelnen dargestellt. Dabei kann hier nicht auf alle Details eingegangen werden, die der Autor in seiner umfangreichen und sehr tiefgehenden Darstellung auf gut 700 Seiten bietet.

Der Autor gliedert seine Darstellungen gut verständlich und logisch. Das Werk ist gut verständlich geschrieben, Endlossätze sucht man vergeblich. Leider ist – wohl dem Umfang des Inhalts geschuldet – die Schrift eher klein, weshalb das Lesen nach einer gewissen Zeit durchaus anstrengt. Zudem wird innerhalb der Kapitel recht wenig Gebrauch von Absätzen und Hervorhebungen gemacht. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. Hier bestünden Verbesserungsmöglichkeiten, durch die das Ziel des Autors, dem Leser einen Verständnisgewinn für die rechtliche Entwicklung des Vertragsrechts zu vermitteln, mehr erreicht werden könnte.

Inhaltlich sind die Erläuterungen sehr tiefgehend, enthalten umfangreiche Quellenangaben und sind besonders darauf angelegt, die verschiedenen Entwicklungen aus unterschiedlichen Perspektiven nachvollziehbar zu machen. Dies macht den Band für den interessierten Leser zur Quelle deutlichen Erkenntnisgewinns, der sicher auch im Rahmen der Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten zu Rate gezogen wird. Würde man noch das Layout etwas moderner und leserfreundlicher gestalten, könnte eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden.



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