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Rezension: Ordnungswidrigkeitenrecht

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Bohnert / Bülte, Ordnungswidrigkeitenrecht, 5. Auflage, C.H. Beck 2016

Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghausen



„Höchste Zeit war es für die Neuauflage“, habe ich mir sofort gedacht, als ich den Bohnert/Bülte in Händen hielt. 6 Jahre liegt nämlich bereits die letzte Auflage zurück, damals noch von Bohnert verfasst. Bülte, Professor aus Mannheim hat sich nun einer Aktualisierung der Texte angenommen. Das Buch ist ein schmales Bändchen und in der Beck`schen Reihe „Grundrisse des Rechts“ erschienen. Bülte hat die Texte aktualisiert und ergänzt, ohne jedoch das Buch zu überfrachten. Nur 174 Seiten umfasst das Werk. Es ist damit eine kostengünstige und schnell zu erfassende Einführung in eine Thematik, die den meisten Studentinnen und Studenten im Vergleich zum „Großen Bruder“, dem Strafprozessrecht eher fremd und ungeliebt erscheint. Auch ich erinnere mich selbst noch an eine Vorlesung zum OWiG im Studium, die ich nach nur einem Vorlesungstag dann auch nicht mehr besucht habe, weil ich dieses Thema nicht für relevant hielt. Tatsächlich ist das Ordnungswidrigkeitenrecht (ohne es überbewerten zu wollen) in der Praxis doch sehr wichtig.

Inhaltlich ist das Buch als eine Art vertiefte Einführung in das OWi-Recht zu verstehen und ist in 5 Teile untergliedert. Es findet sich so erwartungsgemäß zunächst eine Einführung, die gesetzliche Situation, europäische Zusammenhänge und auch den Begriff der Ordnungswidrigkeit in der gebotenen Kürze darstellt. Auch die Problematik der „Opportunität“, die in der Regel erst in der Praxis mit Leben gefüllt wird, wird dargestellt.

Anschließend ist – wie eigentlich immer in derartigen Einführungslehrbüchern - ein „Allgemeiner Teil“ enthalten. Bülte erklärt hier ausgehend von dem Grundsatz „Keine Ahndung ohne Gesetz“ und von dem Geltungsbereich des OWiG das System des Ordnungswidrigkeitenrechts. Dargestellt werden etwa Vorsatz, Fahrlässigkeit, Rechtswidrigkeit, Verantwortlichkeit, Beteiligung (Stichwort „Einheitstäter“) und auch die Aufsichtspflichtverletzung. Zudem finden sich noch Konkurrenzen und Rechtsfolgen. Schade an dieser Stelle ist, dass das hochgradig praxisrelevante Fahrverbot nicht dargestellt wird – wenigstens ein kleiner Abschnitt hätte hier für die Einführung für Studentinnen und Studenten sicher ausgereicht. Vielleicht eine Anregung für die zweifellos kommende Auflage. Auch die Systematik der Verjährung findet sich noch im allgemeinen Teil.

Die dann folgende Darstellung des Bußgeldverfahrens ist der dickste Buchteil mit etwa 80 Seiten. Bülteführt den Leser nach Darstellung der möglichen Beteiligten durch Vor-, Zwischen-, Haupt- und auch das Rechtsbeschwerdeverfahren. In diesem Bereich ist mir das Buch am stärksten und auch am meisten praxisorientiert. Bülte erklärt hier wirklich gut, „wie Bußgeldverfahren geht“.

In den letzten beiden kleineren Buchteilen geht es dann zum einen um Verschränkungen des OWiG mit dem StGB, die auch Praktikern regelmäßig Probleme bereiten. Zum anderen werden kurz Kostenprobleme dargestellt.

Für mich ist das Buch eine wirklich gute, praxisnahe und so auch empfehlenswerte Einführung in die Thematik. Rechtsprechung und Literatur werden sparsam zitiert – in der Regel OLG/BGH-Rechtsprechung und Standardkommentare. Für ein schmales Buch wie das Vorliegende ist das zur Einführung in die Materie vollkommen in Ordnung.

Einziger echter Negativpunkt des Buches sind die zwei im Buchanhang zu findenden Beispielsdokumente: Eine schriftliche Verwarnung und ein Bußgeldbescheid. Beides eher rechtshistorischer Natur, stammen die Dokumente noch aus 1995 und sind sogar noch mit DM-Beträgen versehen. Hier sollte Bülte sicher etwas Aktuelleres finden. Zudem wäre für Studenten sicher wünschenswert, ein typisches OWi-Urteil, vielleicht auch einen Beschluss über eine Rechtsbeschwerde aufzunehmen, damit man auch in der Ausbildung eine Ahnung von dem bekommt, was sich im gerichtlichen Verfahren in typischen/einfachen Fällen so tut.

Trotzdem kann das Buch uneingeschränkt empfohlen werden  - nicht nur Studentinnen und Studenten, sondern auch Referendaren, jungen Richtern oder Mitarbeitern von Verwaltungsbehörden wird das Buch den Einstieg in die Materie auf angenehme und knappe Art erleichtern.



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