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Rezension: Erbschein – Erbscheinsverfahren – Europäisches Nachlasszeugnis

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Zimmermann, Erbschein – Erbscheinsverfahren – Europäisches Nachlasszeugnis, 3. Auflage, Erich Schmidt 2016

Von RA Daniel Jansen, Köln



Das in dritter Auflage vorgelegte Werk beginnt in seinem Vorwort mit einem klaren Bekenntnis zu einer praktischen Ausrichtung und weist prägnant auf die zentralen Fragen rund um materielle Erbscheins- und Verfahrensrecht hin. Es ist für denjenigen, der entweder selbst einen Erbfall im Angehörigenkreis oder als Rechtsberater zu verkraften bzw. bearbeiten hat, von erheblicher Bedeutung, die Kostenproblematik ebenso zu kennen, wie den tatsächlichen Ablauf des Erbscheinsverfahrens.

Ebenso - aufgrund eines Ausländeranteils von 8,8 % - von steigender erheblicher Relevanz sind die Bezüge zum ausländischen Erbrecht. Hier geht es einerseits um die diversen bilateralen, teils sehr alten Vereinbarungen, wie z.B. das Deutsch-Iranische Niederlassungsabkommen von 1929, und andererseits um die teils komplexen Fragen, die sich aus den internationalen Bezügen durch Eigentum in verschiedenen Ländern, gemischtnationale Ehen, gelebte Niederlassungsfreiheit in Europa etc. ergeben. Das vorliegende Werk schafft es, dies in hervorragend strukturierter Weise aufzubereiten.

Einer kleinen Synopse hinsichtlich der aus dem BGB in das FamFG übergangenen Vorschriften folgt eine knackige Darlegung von Wesen und Zweck des Erbscheins. Im Anschluss widmet sich der Autor der praktischen Erheblichkeit bzw. Entbehrlichkeit eines Erbscheins. Besonders wertvoll für den Praktiker ist die Aufbereitung des wichtigen Komplexes hinsichtlich der Stellung des Erbscheinsantrags. Hier werden sowohl die Möglichkeit der hilfsweisen Erbscheinsanträge als auch die Erforderlichkeit und der Inhalt von eidesstattlichen Versicherungen so besprochen, dass es sofort umsetzbar ist. Exemplarisch anhand des Kapitels über die Zuständigkeit der Gerichte ist eine besondere Stärke des Werkes hervorzuheben: dort, wo relevant, verweist es auf die Geltung verschiedener Vorschriften. Es wird sowohl dargestellt, wann man es mit Altfällen zu tun hat, als auch, wie diese zu behandeln sind. Der Nutzer hat durch die drucktechnisch hervorgehobene Angabe der verschiedenen Stichtage stets den Überblick, welchen Vorschriften der eigene Fall unterliegt.

Sodann geht der Autor dort in die Tiefe, wo es angezeigt ist. Es wird beispielsweise nicht nur auf die verschiedenen Varianten hingewiesen, in denen ausländisches Recht Anwendung findet, sondern erläutert die wichtige Grenze dort, wo das ausländische Erbrecht in Deutschland durch den ordre public in Art. 6 EGBGB bzw. Art. 35 EuErbVO korrigiert wird. Diesen Maßstab richtig anzuwenden ist eine Kunst, die das vorliegende Werk ausgesprochen eindrücklich am Beispiel des iranischen Erbrechts erläutert, dass über das Deutsch-Iranische Niederlassungsabkommen auch von deutschen Nachlassgerichten anzuwenden ist. Dort werden einerseits männliche Erben gegenüber weiblichen und islamische Religionsangehörigen gegenüber den nichtislamischen bevorteilt. Beides stellt zunächst einen Verstoß gegen Grundrechte dar. Dennoch bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass das iranische Recht über die ordre public-Regelung keine Anwendung findet. So sind Konstellationen vorstellbar und gerichtlich bereits ausgeurteilt, in denen ein deutsches Nachlassgericht einen Erbschein ausstellt, der eine Erbquote eines Mannes von 2/3 und der Frau von 1/3 enthält.

Die Stimmigkeit zwischen dem Augenmerk auf die Praxis durch Prägnanz und argumentativer Tiefe dieses Werkes ist beeindruckend. Der im Erbrecht tätige Praktiker wird mit diesem Werk gegenüber seinen Mandanten mit einer fundierten Expertise glänzen.



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