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Rezension: Steuerstrafrecht

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Joecks / Jäger / Randt, Steuerstrafrecht mit Zoll- und Verbrauchssteuerstrafrecht, 8. Auflage C.H. Beck 2015

Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghausen



Steuerstrafrecht ist ein echtes Randgebiet der Rechtswissenschaft, vor dem viele Juristen mit Recht Respekt haben und es deshalb eher stiefmütterlich behandeln. Im Studium hat man üblicherweise schon wenig mit Steuerrecht zu tun in dem Glauben, das sei eher etwas für Betriebswirtschaftler. Mit Steuerstrafrecht befasst man sich zumeist überhaupt nicht. Nicht einmal die einschlägigen Normen sind bekannt. Allenfalls das Stichwort „Steuerhinterziehung“ hat der nicht spezialisierte Jurist einmal gehört. Umso wichtiger ist ein Werk, wie der vorliegende Kommentar. Bei dem Werk von Joecks/Jäger/Randt handelt es sich nämlich um einen Spezialkommentar, der sich nur mit den §§ 369-412 AO befasst und diese dankenswerterweise derart umfassend und großzügig darstellt, dass selbst Juristen, die nur gelegentlich mit der Materie zu tun haben verstehen, worum es geht und was bei der Anwendung der einzelnen Normen zu beachten ist. Fast 1000 Seiten umfasst das Buch und gibt (anhand der Fußnoten) erkennbar den derzeitigen Stand der Rechtsprechung wieder. Es geht dabei mit den üblichen und auch gut gepflegten und detailreichen Verzeichnissen los und startet für einen Schnellüberblick zunächst mit einer 13-seitigen Wiedergabe der im Anschluss kommentierten Normen. Diese Art Vorspann ist in der Praxis sicher sehr hilfreich vor allem für Juristen, die die einschlägigen Vorschriften nicht sofort „unter Kontrolle“ haben. Hier bietet es sich sicher gleich nach Erwerb des Buches an, ein Lesezeichen anzubringen.

Sodann findet sich – erwartungsgemäß – eine ausführliche Einleitung zum Steuerstrafrecht. Verfasst wurde diese von Joecks. Zunächst stellt er das Steuerstrafrecht als eigenständige strafrechtliche Materie im Kontext des sonstigen Strafrechts vor. Sodann befasst er sich mit Besonderheiten der Zuwiderhandlungen gegen Steuergesetze. Hierzu zählen auch die verfahrensrechtlichen Besonderheiten, die sicher mit der speziellen Materie nicht vertrauten Juristen nicht geläufig sind. Hierzu zählen natürlich insbesondere die staatsanwaltschaftsgleichen Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden. Weniger interessant dagegen sind selbst für ausgewiesene Steuerrechtler sicherlich die sich dann anschließenden umfangreichen historischen Darstellungen.

Mehr als entschädigt wird der Leser dann mit den eigentlichen Kommentierungen, die mit dem Wort „opulent“ noch untertrieben beschrieben sind. Während die erste kommentierte Norm „§ 369 AO – Steuerstraftaten“ mehr oder weniger wie ein Kurzlehrbuch zur Systematik des Steuerstrafrechts zu lesen ist und knapp über 100 Seiten in Anspruch nimmt, wächst der Kommentierungsumfang bei § 370 AO bereits auf 170 Seiten an. Dass derartige Seitenzahlen den Leser nicht überfordern ist für mich der Hauptverdienst der Autoren. Konsequent bearbeiten sie nämlich die steuerstrafrechtlichen Tatbestände so, als wären es ganz normale StGB-Normen. Der Aufbau der Kommentierung des § 370 AO etwa beginnt mit einem kurzen allgemeinen Teil, Grundfragen zu geschütztem Rechtsgut und zur Systematik und geht dann in den eigentlichen Tatbestand über. Zunächst wird der Steuerhinterziehungserfolg dargestellt und dann das tatbestandsmäßige Verhalten. Einen besonderen Schwerpunkt setzt Joecks bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen – hier werden zahlreiche Besonderheiten aus einzelnen Steuerrechtsgebieten dargestellt, so nicht nur Umsatzsteuer oder Einkommensteuer, sondern auch etwa Kaffee-, Energie- und Stromsteuer.

Sodann geht es zu Vorsatzfragen, Problemen des Versuchs und der Teilnahme und natürlich auch zu den besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung. Alles ist so dargestellt, dass man mit ein wenig strafrechtlichem Grundverständnis die Kommentierung und die hierin aufgeworfenen Probleme allein mittels des Buches verstehen kann. Schließlich geht es in dem Kommentierungstext auch um die Strafe und die straf- und steuerrechtlichen Nebenfolgen der Steuerhinterziehung. Natürlich werden auch Konkurrenzfragen ausführlich erörtert. Die Kommentierung ist aber damit noch nicht abgeschlossen, da auch die mit § 370 AO verwandten §§ 26b und c UStG intensiv im Rahmen einer Binnenkommentierung dargestellt werden. Besser ist eine geschlossene Kommentierung eines derart speziellen Rechtsgebietes kaum möglich. Ähnliche Binnen(teil)kommentierungen finden sich auch immer wieder in anderen Normen.

Von aktueller Brisanz ist natürlich die Kommentierung der „Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung“, § 371 AO. Gerade Fachanwälte für Strafrecht und für Steuerrecht und natürlich auch Steuerberater werden hiermit seit den medienwirksamen CD-Ankäufen mit „Steuersünderdaten“ häufig befasst. Richtigerweise bildet hier die Berichtigungserklärung einen wesentlichen Teil der Kommentierung. Insbesondere bemüht sich Joecks an dieser Stelle ausführlich um eine Darstellung des Unterschieds zwischen der Berichtigungserklärung mit (schädlichen) neuen erheblichen Unrichtigkeiten und mit (unschädlichen) nur geringfügigen Abweichungen. Auch die gesetzgeberischen Verschärfungen seit dem 1.1.2015 in diesem Zusammenhang werden eigens herausgestellt.

Die weiteren materiellen Vorschriften sind ähnlich ausführlich und umsichtig abgefasst. Aber auch im Bereich eher prozessualer Normen ist detailliert zusammengetragen worden, so etwa in § 391 AO, der sich mit dem für Steuerstrafsachen zuständigen Gericht befasst. Gemeint ist hier freilich vor allem das örtlich zuständige Amtsgericht. Hier wird ausgehend von den allgemeinen strafrechtlichen Zuständigkeitsregeln die Rechtslage dargestellt. Erörtert werden etwa auch jugendstrafrechtliche Bezüge. Der darüber hinaus mit § 391 AO konkurrierende § 58 GVG findet sich als abweichende Regelung ebenso dargestellt. Mit viel Fleiß wurden von dem Autor Randt an dieser Stelle auch alle (!) geltenden landesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften zusammengetragen. Die Kommentierung ist damit in sämtlichen Bereichen detailbesessen erfolgt. Schön auch die Kommentierung zu § 392 AO: Randt stellt nämlich nicht nur die Verteidigung durch den Steuerberater dar; vielmehr hat er an dieser Stelle alles zusammengetragen, was allgemein zum Thema Verteidigung „zu sagen“ ist. Er stellt etwa die Rechtsstellung des Verteidigers, alle zur Verteidigung Berechtigten, die notwendige Verteidigung, die Ausschließung des Verteidigers, das Verbot der Mehrfachverteidigung und schließlich auch die Rechte und Pflichten des Verteidigers dar. Bei dieser umfassenden Themenpalette wundert der Umfang von 25 Seiten kaum.

Fazit: Da der Spezialkommentar „Steuerstrafrecht“ – wie dargestellt - nicht nur inhaltlich aktuell, ausführlich und praxisnah ist, sondern auch die üblichen Verzeichnisse, inklusive der vor jeder Kommentierung zu findenden gesonderten Inhalts- und Literaturverzeichnisse gut gepflegt sind, kann das Buch allen Praktikern in diesem Bereich mit gutem Gewissen ans Herz gelegt werden. 



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