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Rezension: Arbeitsrecht

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Reichold, Arbeitsrecht, 5. Auflage, C.H. Beck 2015

Von Dr. jur. Michael Höhne, Frankfurt am Main



Das Arbeitsrecht ist schon durch die vielen Rechtsquellen und die Verbindung mit anderen Rechtsgebieten (z.B. Grundrechte) eine eher unübersichtliche Materie. Dr. Hermann Reichold, o. Professor an der Universität Tübingen, gelingt es in der mittlerweile 5. Auflage dieses Rechtsgebiet anschaulich und verständlich darzustellen. Für die neue Auflage wurde schon die Gesetzgebung aus dem Jahre 2015 zum Mindestlohn (S. 140 f.) und zur Tarifeinheit (S. 302 f.) sehr nachvollziehbar und zielführend eingearbeitet.

Die gegenständliche Rezension wird sich an den drei Aspekten aus dem Werktitel und dem Untertitel („Arbeitsrecht. Lernbuch nach Anspruchsgrundlagen“) orientieren.

„Arbeitsrecht“. Das Arbeitsrecht ist inhaltlich geteilt in das Individualarbeitsrecht und das Kollektivarbeitsrecht. Reichold behandelt beide Bereiche, jedoch in unterschiedlichem Umfang. Während das Individualarbeitsrecht auf knapp über 200 Seiten (S. 70-272) behandelt wird, werden dem Kollektivarbeitsrecht knapp halb so viele Seiten gewidmet (S. 276-360). Vor dem Hintergrund, dass das Buch „gezielt auf Examens- und Prüfungsarbeiten im Arbeitsrecht vorbereiten“ soll (Vorwort, S. V) und dem Arbeitsvertragsrecht dort eine deutliche größere Bedeutung zukommt, kann diese Aufteilung durchaus überzeugen. Insgesamt lässt sich sagen, dass alle examensrelevanten Bereiche des Arbeitsrechts behandelt werden.

„Lernbuch“. Seit mittlerweile über 15 Jahren werden bei C.H. Beck Bücher in der Reihe „Lernbücher Jura“ veröffentlicht. Namhafte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bieten zu vielen Rechtsgebieten ihre Hilfe beim Lernen an. Das Buch von Reichold gehörte 2002 in der ersten Auflage zu einem der ersten Bücher seiner Art. Gleichwohl lässt sich das Wort Lernbuch bisher nicht in gängigen Lexika oder Wörterbüchern finden. Schon aus diesem Grund muss eine Annäherung an diesen Begriff erfolgen, um Ziel, Methode und Inhalt des Buches nachvollziehen zu können.

Während ein Lehrbuch klassischer Weise vorrangig Wissen darstellt, liegt das Augenmerk bei dem Lernbuch eher darauf, dass Studierende und Rechtsreferendare, an die das Buch gerichtet ist (Vorwort, S. V), mit dem Buch lernen. Das Lernziel liegt dabei insbesondere darin, arbeitsrechtliche Fragestellungen in einer Klausur lösen zu können.

Studierende lernen sehr unterschiedlich, weshalb es schwierig ist, ein Buch zu verfassen, dass allen Lerntypen gerecht wird. Manche Studierende lernen etwa gerne mit Karteikarten(-Apps), manche direkt an Fällen und andere mögen die Visualisierung von Zusammenhängen (etwa durch Mind-Maps). In sehr überzeugender Weise kombiniert Reichold unterschiedliche Lernhilfen für die Bedürfnisse der verschiedenen Lerntypen. Das Buch enthält zunächst sehr viele Schaubilder und Schemata. Wissen wird zudem häufig an Beispielen demonstriert.

Besonders gut gefallen die Kontrollfragen am Ende jeden Kapitels. Leser werden hier besonders zum Mitdenken angeregt, wodurch eine Aktivierung des Lesers geschaffen wird, die für den Lernprozess von enormer Relevanz ist. Dabei sind die Kontrollfragen keineswegs geeignet, um sich daran „vorbeischummeln“ zu können. Vielmehr muss man das zuvor Erlernte präzise beachten, um die Lösung zu finden. Zum Abgleich befinden sich ausführliche Musterantworten am Ende des Buches (S. 361-376).

Neben den Beispielen findet eine Verdeutlichung der Rechtsfragen an (insgesamt zehn) Fällen statt. Es wird den Lesern Gelegenheit gegeben, das eigene Wissen zu testen und einen vertieften Lerneffekt hervorzurufen. Das Buch enthält sowohl kurze Lösungsskizzen als auch einen Link, über den ein 34 Seiten langes pdf-Dokument mit ausformulierten Lösungen zu den Fällen abgerufen werden kann. Die Lösungen in dem Dokument sind zwischen zwei und sechs Seiten lang und gleichwohl aufgrund der kleinen Schriftgröße immer sehr umfangreich. Für die Lektüre etwa auf einem Smartphone ist das Dokument aufgrund des Schriftbildes nicht geeignet. Für den perfekten Lernerfolg müssen demnach gewisse Vorkehrungen getroffen werden. Entweder muss man das Dokument vorab ausdrucken oder während des Lernens über einen Computer o.Ä. lesen können.

Dem Lernerfolg liegt zudem zwingend zugrunde, dass man bei der Lektüre des Buches geistig nicht abdriftet. Neben dem generell sehr angenehmen Schriftbild befördern auch regelmäßige Wechsel der Darstellung die Aufmerksamkeit beim Lesen. Selbst wenn der Leser einen Abschnitt nicht vollständig aufmerksam wahrnimmt, wird er durch viele graue Kästen (häufig eingeleitet mit „Achtung“ oder „Wichtig“ in Fettdruck) darauf hingewiesen, dass besonders relevante Informationen folgen. Besonders hilfreich sind auch die sehr praxisnahen Formulierungsbeispiele (etwa S. 51), Arbeitshinweise (etwa S. 54) und Klausurtipps (etwa S. 87).

Dem Lernerfolg zuträglich ist des Weiteren auch die nüchterne, präzise und klare Sprache, mit der Reichold das Wissen vermittelt.

Hilfreich ist auch die Aufteilung der Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre, die jedes Kapitel beenden, in (normale) Literatur, Rechtsprechung und falldidaktische Beiträge. Während sich die behandelte Thematik bei den Aufsätzen und Büchern aus dem Titel ergibt, wird der (relevante) Inhalt von Rechtsprechung und falldidaktischen Beiträgen in Klammerzusätzen aufgeführt (siehe etwa S. 126 f.). Dabei fällt auf, dass grundsätzlich nicht auf Studienliteratur i.F.v. Lehrbüchern zum Arbeitsrecht verwiesen wird. Auch wenn es für einen interessierten Leser wenig Mühe bedeutet, die relevante Stelle in einem Lehrbuch zu finden, wäre ein Hinweis darauf, wo der Abschnitt – aus Sicht des Autors – besonders überzeugend oder ausführlich dargelegt ist, erfreulich gewesen. Bei den wenigen Monographien, die als Lektürehinweis genutzt werden, wäre generell eine Spezifizierung der relevanten Seiten erfreulich (siehe etwa die breit angelegten Verweise auf S. 69). Vor dem Hintergrund der Lernorientierung des Buches erscheinen auch die Nachweise im Text geringfügig verbesserungsfähig. Manche Nachweise sind derart gewählt, dass der typische, lernwillige Leser sie nicht nachschlagen wird (z.B. die Printversion der FAZ auf S. 3 oder der Verweis auf vier Quellen, die mit einem „vgl. nur“ eingeleitet werden, S. 8). Dass diese Kleinigkeiten für mich die einzigen Makel des Buches darstellen, zeigt gleichwohl, wie nahe Reichold der Perfektion gekommen ist.

Es lässt sich also zusammenfassend konstatieren, dass das „Lernbuch“ seinem Namen gerecht wird. Die Leser werden umfassend informiert und gleichzeitig zu eigenständigem Denken angeregt, wodurch der Lernerfolg gleichsam automatisch eintritt.

„nach Anspruchsgrundlagen“. Die Idee, ein Buch über zivilrechtliche Themen mit didaktischem Hintergrund an Anspruchsgrundlagen auszurichten, ist sicherlich keineswegs neu. Vielmehr handelt es sich um ein mittlerweile bewährtes Konzept. Im Vordergrund steht dabei, das Wissen klausurnah zu vermitteln. Da Klausuren häufig fallbezogen gelöst werden müssen, orientiert sich das Buch am arbeitsrechtlichen Fallaufbau. Es findet sich jedoch keineswegs eine unstrukturierte Abfolge möglicher Anspruchsgrundlagen. Auch wird der übergeordneten Struktur nur dort Rechnung getragen, wo sie sich sinnvoll umsetzen lässt.

Bevor jedoch im Buch näher auf die anspruchsbegründenden Aspekte eingegangen wird, erfolgt zunächst eine ausführliche Einführung in die Grundstrukturen des Arbeitsrechts, wobei das „Arbeitsrecht in der Rechts- und Wirtschaftsordnung“, der „Anwendungsbereich des Arbeitsrechts“ und die „Rechtsquellen des Arbeitsverhältnisses“ beleuchtet werden (S. 3-57). Der letzte Teil der Einleitung führt dann verständlich in die Grundlagen der arbeitsrechtlichen Klausur ein (S. 57-69) und dabei in die Orientierung an Anspruchsgrundlagen über. Vor dem Einstieg in das materielle Recht wird zunächst noch das einschlägige Prozessrecht dargestellt (S. 70-92), wobei die Darstellung dazu dient, die „prozessuale Einkleidung als Einstieg in der Gutachten“ (S. 70) zu erläutern. Der Fallbezug wird also auch insoweit gewahrt. Das Prozessrecht wird nicht wie ein unangenehmes Anhängsel behandelt, sondern noch am Anfang des Buches verständlich eingeführt und im Laufe der Ausführungen immer wieder näher beleuchtet (z.B. ausführlich in Fall 5).

Besonders deutlich wird die Orientierung an den Anspruchsgrundlagen in der Darstellung des materiellen Individualarbeitsrechts (S. 93-275). Die Ausführungen befinden sich immer nah an den zugrunde liegenden Ansprüchen. Es findet daneben häufig eine Rückbindung der Ausführungen an die Falllösung anhand von Beispielen statt. Der Lerneffekt für die Klausurbearbeitung ist damit jederzeit gewahrt.

Bei der Darstellung des Kollektivarbeitsrechts „begegnet eine Darstellung nach der Anspruchsmethode Schwierigkeiten, die in der Materie begründet liegen“ (S. 1 f.). Reichold hält deshalb nicht zur Erfüllung eines Selbstzweckes an dieser Struktur fest, sondern schafft eine (andere) sinnvolle Struktur, in der Koalitionsrecht, Tarifvertragsrecht, Arbeitskampfrecht und Betriebsverfassungsrecht nacheinander abgehandelt werden. Die Klausurrelevanz der Ausführungen bleibt gleichwohl bestehen und wird wiederum etwa durch Beispielsfälle gewährleistet. Soweit ein Rückgriff auf die Anspruchsdarstellung zielführend ist, erfolgt dies erwartungsgemäß auch (siehe etwa zu den Ansprüchen aus Tarifvertrag S. 307).

Abschließend lässt sich eine unbedingte Empfehlung des Buches für Studierende und Rechtsreferendare aussprechen. Wer eine zielgerichtete und klausurrelevante Darstellung des Arbeitsrechts „aus einer Hand“ mit vorprogrammiertem Lernerfolg sucht, sollte dieses Buch lesen. Das eigene Zusammensetzen eines Lernprogramms aus der Lektüre von Lehrbüchern, Fallbüchern, Karteikarten etc. wird damit weitgehend überflüssig.



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